Politik/Ausland

Experiment gescheitert? Melonis Asyllager in Albanien stehen schon wieder leer

Es ist die nächste juristische Niederlage für die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Ein Gericht in Rom hat die Internierung von sieben Männern im italienischen Migrationszentrum in Gjadër in Albanien ausgesetzt. 

Die Männer aus Bangladesch und Ägypten waren in den vergangenen Tagen im Mittelmeer aufgegriffen und am Samstag an Bord des Schiffes "Libra" der italienischen Marine nach Albanien gebracht worden.

Nun sind sie wieder zurück in Italien: Die Küstenwache schipperte sie über die Adria in die Hafenstadt Brindisi. Dort gingen sie in der Nacht an Land.

Eine Unterbringung der Geflohnen in einem Lager außerhalb der EU sei nicht rechtens, urteilte das Gericht in Rom. Im Streit um das sogenannte Albanien-Modell kassierte die Rechtsregierung in Rom damit die zweite Niederlage innerhalb kurzer Zeit: Am 18. Oktober hatte dasselbe Gericht die Internierung von zwölf Migranten abgelehnt.

Schon der erste Richterspruch löste heftige Reaktionen aus. Eine der Richterinnen, die die Unterbringung der Flüchtlinge abgelehnt hat, musste unter Polizeischutz gestellt werden, nachdem sie Morddrohungen erhalten hat.

Aus dem Streit hat sich eine deftige Auseinandersetzung zwischen Melonis Regierung und der Justiz entwickelt. Der Fall liegt beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Auch Italiens oberstes Gericht, der Kassationsgerichtshof in Rom, beschäftigt sich mit der Thematik.

Es sei Sache der Regierung, zu definieren, was ein sicheres Land im Hinblick auf die Migration sei, wetterte Meloni nach dem Entscheid der Richter. Ihre Partei Fratelli d´Italia sprach von "der Linken politisch beeinflussten Richter". "Man will die Grenzen Italiens abschaffen."

"Wir konnten nicht anders handeln und keine andere Entscheidung treffen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bindet nicht nur uns Richter, sondern auch die öffentliche Verwaltung", verteidigte Luciana Sangiovanni, Präsidentin der Abteilung für Migration des Gerichtshofs von Rom den Entschluss. 

Der Entscheidung der sechs Richter in Rom liegt nämlich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Anfang Oktober zugrunde. In diesem wird festgehalten, dass ein EU-Land einen Drittstaat im Asylrecht nur dann als sicheres Herkunftsland definieren kann, wenn die Bedingungen dafür im gesamten Hoheitsgebiet des Staates erfüllt sind. 

Kurzerhand verabschiedete die Regierung in Rom daraufhin eine offizielle Liste "sicherer Länder". Ein Gericht in Bologna wiederum hat diese Liste dem Europäischen Gerichtshof mit der Frage vorgelegt, ob sie denn tatsächlich gültig ist. 

Hohe Kosten

Inzwischen ist unklar, ob Italien den Betrieb der beiden Lager auf albanischem Boden noch weiter aufrechterhalten kann.

Seit Mitte Oktober sind die albanischen Flüchtlingszentren bis auf wenige Tage Ausnahme leer, dafür aber mit fast 300 Mitarbeitern besetzt: Übersetzer, Reinigungskräfte, medizinisches und pflegerisches Personal sowie Polizisten und Carabinieri.

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Die Oppositionsparteien beklagten die hohen Kosten des Projekts. 134 Millionen pro Jahr lässt sich die Regierung den Betrieb der Lager kosten, das entspricht in fünf Jahren Gesamtausgaben von etwa 670 Millionen Euro. Die Kosten der Überführung von im Mittelmeer aufgegriffenen Migranten nach Albanien beschäftigen mittlerweile auch den Rechnungshof in Rom. Auf Druck von NGOs und Oppositionsparteien sollen die Ausgaben für das Marineschiff "Libra" geprüft werden. Oppositionsparteien beziffern die Kosten für die Überführung auf 20.000 Euro pro Person; Innenminister Matteo Piantedosi nannte 8.400 Euro pro Tag als Kosten. 

Wie Piantedosi in einer Fragestunde im Parlament erklärte, betrachtet Melonis Regierung die Ausgaben als "eine Investition", die es ermöglichen wird, die Kosten für die Aufnahme von Migranten, "die sich heute auf etwa 1,7 Milliarden pro Jahr belaufen", zu senken.

Italien und Albanien hatten vor einem Jahr die Einrichtung der von Rom betriebenen Aufnahmelager für Asylwerber in Albanien vereinbart. Die Asylzentren werden nach italienischem Recht und mit italienischem Personal betrieben. Italien ist der erste Staat der Europäischen Union, der über Asylanträge außerhalb der EU urteilen will. Das umstrittene "Albanien-Modell" wird von allen anderen EU-Ländern aufmerksam beäugt. Besonders andere rechte Regierungen erwägen, sich das Meloni-Modell zum Vorbild zu nehmen. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Abkommen scharf. Sie wollen wissen, wie Italien sicherstellen will, dass in Aufnahmezentren außerhalb der EU sämtliche Menschenrechte gewahrt bleiben.

Italien ist eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa über das Mittelmeer besonders betroffen sind. Vor allem vergangenes Jahr waren die Zahlen hoch: Annähernd 160.000 Migranten erreichten Italiens Küsten auf Booten. Zurzeit kommen zwar weniger als halb so viele Menschen an als vor einem Jahr. Dennoch machen sich weiterhin Zehntausende mit oft kaum seetüchtigen Booten auf den Weg.