Politik/Ausland

Ex-Geisel: IS-Kämpfer "mehr dumm als böse"

Der Franzose Nicolas Henin war zehn Monate lang Gefangener der Dschihadisten vom "Islamischen Staat". 300 Tage, von Sommer 2013 bis April 2014. Jeder Tag hätte sein letzter sein können. Einer der "Gefängniswärter" war kein anderer als Mohammed Emwazi, bekannt unter "Jihadi John", der vergangene Woche bei einem Drohnenangriff getötet worden sein soll.

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Nach den Anschlägen in Paris schreibt Henin im britischen Guardian, dass die Anhänger der Terrormiliz sich im Internet zwar als Superhelden präsentieren, doch abseits der Kamera seien sie "erbärmlich, Straßenkinder, beseelt durch Ideologie und Macht". In Frankreich, so der 41-Jährige, sagt man: dumm und böse. "Ich fand sie jedoch mehr dumm als böse."

Henin: Mit Assad ist nichts möglich

Die Extremisten hätten mit den Geiseln gespielt, ihnen gedroht, sie umzubringen, zu köpfen. "Sie hatten Spaß mit uns, sie lachten. Es war lächerlich." Aber als sie Bilder aus Deutschland gesehen haben, Bilder auf denen Menschen ankommende Flüchtlinge willkommen hießen, wurde es ruhig und ernst. "Das widerspricht dem Weltbild der Extremisten, denn für sie können Muslime nicht mit anderen Gruppen zusammenleben", so Henin.

Doch während seiner Zeit in Geiselhaft hätte er bemerkt, dass nicht die Terrormiliz das größte Übel in Syrien ist, sondern Präsident Bashar al-Assad. Obwohl der "Islamische Staat" abgrundtief böse ist, der syrische Präsident sei verantwortlich für den Aufstieg der radikal-islamistischen Gruppe: "Und so lange Assad an der Macht ist, kann der IS nicht ausgelöscht werden."

Fluchtursache Assad

Während viele vermuten, die meisten Flüchtlinge fliehen vor dem IS, ergab eine umfangreiche Befragung (nicht repräsentativ) syrischer Flüchtlinge, dass Assad die eigentliche Fluchtursache sei. Die Demokratieaktivisten von Adopt a Revolution, die die Befragung durchgeführt haben, interviewten von Ende September bis Anfang Oktober knapp 900 syrische Flüchtlinge vor Erstaufnahmeeinrichtungen, Registrierungsstellen und Flüchtlingsunterkünften in Deutschland.

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Mehr als zwei Drittel gaben an, ihr Land wegen unmittelbarer Lebensgefahr verlassen zu haben. In diesem Zusammenhang nannten drei Viertel der Befragten, dass sie Angst vor Festnahmen durch das Assad-Regime haben, 42 Prozent sagten, sie fürchten Entführungen durch den IS. Für 13 Prozent waren die ökonomische Gründe ausschlaggebend für ihre Flucht. Die Furcht vor Rekrutierung durch die Streitkräfte nannten rund acht Prozent als Grund.

Für Henin, der zusammen mit dem Journalisten Pierre Torres, ebenfalls Ex-Geisel, ein Kinderbuch veröffentlichte, sei aber wichtig, dass die französische Regierung nun nicht voreilig mit weiteren Luftschlägen handle. Denn der "Islamische Staat" fürchte keine Bomben. "Die Terrormiliz fürchtet Einheit."