Politik/Ausland

EU-Gipfel: Ägypten als Nothelfer in der Flüchtlingspolitik

Nach der von Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Auftakt der österreichischen Ratspräsidentschaft ausgerufenen „Trendwende“ in der Migrationspolitik ist Realismus in die Debatte eingezogen.

Bei Frontex und dem Außengrenzschutz gibt es noch „keinen Durchbruch“, kritisierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, bis Jahresende will man offene Details über das Mandat von Frontex klären. Ungarn weigert sich vehement, Frontex-Beamte auf seinem Staatsgebiet tätig werden lassen.

Was die Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlinge betrifft, gibt es Hoffnung: Die 28 Staats- und Regierungschefs einigten sich auf eine „vertiefte Zusammenarbeit bei illegaler Migration und Wirtschaft“ mit Ägypten.

„Auch mit anderen nordafrikanischen Staaten wird es Gespräche geben“, sagte Gastgeber Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Private Investitionen

Was diese „vertiefte Kooperation“ wirklich bedeutet, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Es sollte Flüchtlingsabkommen mit nordafrikanischen Staaten ähnlich wie mit der Türkei geben.“ Letztlich seien Abkommen und Absprachen nötig, ähnlich wie mit Ankara.

Man müsse aber auch noch lernen, wie man Entwicklungszusammenarbeit und private Investitionen mit diesen Ländern besser hinbekomme, fügte Merkel hinzu. Dem Vernehmen nach pocht die ägyptische Seite auf europäische Investitionen großer Unternehmen, um Arbeitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung in Ägypten zu schaffen. Offenbar hofft die EU, dass Ägypten in diesem Fall bereit sein wird, im Mittelmeer abgefangene Flüchtlinge aufzunehmen, selbst wenn das Wort „Lager“ oder „Anlandeplattform“ strikt vermieden wird.

Ein Flüchtlingszentrum für im Mittelmeer Gerettete wird es im nordafrikanischen Land „auf keinen Fall geben. Asylzentren lehnen wir ab“, erklärte eine ranghohe Mitarbeiterin des Außenministeriums in Kairo laut der Zeitung Egypt Today.

Migranten in Ägypten werde Bewegungsfreiheit im Land garantiert, ebenso stünden Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote zur Verfügung, heißt es in Kairo.

Bundeskanzler Kurz lobte, dass Ägypten seit 2016 mit der EU zusammenarbeite: Seit mehr als zwei Jahren hat kein einziges Flüchtlingsschiff mehr Richtung Europa abgelegt. Vergangenen Sonntag sondierte Kurz gemeinsam mit Tusk die Möglichkeiten der engeren Kooperation mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Tusk will am Sonntag am Rande der UNO-Generalversammlung in New York neuerlich mit al-Sisi zusammentreffen.

Dissens über Verteilung

Keine zentrale Frage spielte in Salzburg die faire Verteilung von Flüchtlingen, auch wenn sie Juncker einforderte. „Verteilung war nur ein Randthema“, sagte Kurz. „Den Dissens darüber wird es weiterhin geben.“

Luxemburgs Premier Xavier Bettel warnte vor einer Entmenschlichung der Migrationsdebatte.

 

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Wir sind nicht auf einem Markt. Wir reden über Menschen, nicht über Teppiche oder Waren.“

Dennoch konstatierte Bettel, dass es im Flüchtlingsstreit zumindest etwas Fortschritt gebe. „Ich habe das Gefühl, dass wir langsam, sehr langsam sogar, weiterkommen.“ Dem stimmt Kurz zu, auch er sprach von „Entspannung“. Dazu trägt auch bei, dass derzeit die Ankünfte von Migranten in der EU um 95 Prozent im Vergleich zu 2015 gesunken sind.

Diskutiert wurde auch darüber, ob EU-Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, andere – etwa finanzielle – Beiträge zur Migrationspolitik leisten könnten. Die Antwort darauf lautete beim Gipfel in Salzburg: „Eher Nein“.