Politik/Ausland

EU-Gipfel in Kiew: Brüssel verspricht Hilfe, die Ukraine will mehr

Den gelben Blazer über der blauen Bluse hat Ursula von der Leyen dieses Mal bei ihrem Besuch in Kiew bleiben lassen. Und auch die mit der Kommissionschefin mitgereisten EU-Kommissare waren angewiesen, keine Kleidung in den Farben der ukrainischen Flagge zu tragen. Denn die Botschaft des EU-Ukraine-Gipfels gestern in Kiew war ohnehin klar: "Die EU wird die Ukraine und das ukrainische Volk gegen den anhaltenden russischen Angriffskrieg unterstützen, solange es nötig ist", hieß es in der Gipfel-Erklärung.

Pünktlich zu Beginn des Zusammentreffens der EU-Spitzen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij kam dann der Luftalarm. Und der erinnerte von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel einmal mehr daran, dass die Reise der Kommission nach Kiew nie ohne Risiko war. Per 12-stündiger, nächtlicher Zugfahrt im Schlafwaggon von Polen aus erfolgt die Hin- und Rückfahrt. Für die Reisenden beruhigend: Der russischen Artillerie fehlt die Fähigkeit, auf bewegliche Ziele wie einen Zug zu feuern. Doch das Risiko, zufällig von einem Geschoß getroffen zu werden, reiste immer mit.

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Aus gutem Grund hatte deswegen EU-Vizekommissionspräsident Hans Timmermans in Brüssel bleiben müssen. Wäre in Kiew das Schlimmste passiert, hätte der Niederländer künftig die Geschäfte der Kommission führen müssen.

Zehntes Sanktionspaket geplant

Doch in Kiew lief alles nach Plan. Von der Leyen kündigte ein zehntes EU-Sanktionspaket an, das bis zum Jahrestag des russischen Überfalls am 24. Februar fertig sein soll. Zudem will die EU 15.000 ukrainische Soldaten ausbilden, rund 2.400 Generatoren liefern und bei der Wiederherstellung der zerstörten Energieinfrastruktur helfen. 18 Milliarden Euro wird Kiew überdies heuer aus Brüssel bekommen, damit die Regierung Gehälter, Pensionen und Sozialleistungen zahlen kann. Insgesamt hat die EU damit seit Kriegsbeginn fast fünfzig Milliarden Euro Hilfe zugesagt. Darin enthalten sind auch 12 Milliarden Euro für Waffen.

Doch die ukrainischen Gipfelgastgeber hatten sich noch mehr erhofft: Kiew pocht auf ein baldiges Datum für den EU-Beitritt. "Wir brauchen die motivierenden Ergebnisse der europäischen Integration, um zu zeigen, dass die Kraft unserer Leute auf dem Schlachtfeld und auf allen Ebenen von ganz Europa unterstützt wird", sagte Selenskij. Zwar lobte von der Leyen die Fortschritte der Ukraine bei Reformen und der Korruptionsbekämpfung. Doch ein EU-Beitritt in zwei Jahren, wie es sich die Ukraine erhofft, gilt in Brüssel als völlig ausgeschlossen. Bisher gibt es nicht einmal einen Termin für den Start von Beitrittsverhandlungen.

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Österreichs Wirtschaft in Kiew

Luftalarme wie gestern, beim EU-Kiew-Gipfel, kennt Gabriele Haselsberger nur zu gut. Für Österreichs Wirtschaftsdelegierte gehören sie zu ihrem Kiewer Alltag. "Da tritt eine Art Gewöhnungseffekt ein. Die Leute gehen in die Arbeit, Restaurants sind mehrheitlich offen, viele Autos auf den Straßen. Ich selbst war in den vergangenen Wochen vier Mal in Schutzräumen."

Nach ihrer Einschätzung sind auch die meisten der 200 österreichischen Firmen weiter in der Ukraine aktiv – wenn auch mit großen Problemen: Stromabschaltungen, eine erschwerte und stark verteuerte Logistik, Auftrags- und Umsatzeinbrüche.

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Schäden an Brücken, Schulen oder Wohngebäuden würden in der Ukraine so gut es in Kriegszeiten eben gehe sofort repariert, erzählt sie. "Da wird Tag und Nacht gearbeitet. Gleichzeitig werden jetzt schon Wiederaufbaupläne erarbeitet und Projekte entwickelt, um bei Kriegsende rasch starten zu können", sagt Haselsberger im Telefon-Gespräch mit dem KURIER.

Mitte Februar findet dazu in Warschau eine große Wiederaufbau-Konferenz und – Messe auch unter Beteiligung österreichischer Firmen statt. Das Interesse sei groß. Vom Bausektor über Maschinen und Abwassermanagement bis zum Infrastrukturbereich gäbe es unzählige Bereiche, in denen rot-weiß-rotes Know-how gefragt sei.

Weitere Sanktionen der Ukraine gegen österreichische Firmen, die weiterhin in Russland engagiert sind, befürchtet Gabriele Haselsberger nach den Schritten gegen Unicredit und Raiffeisen Bank International nicht. "Österreichische Firmen haben hier von der ersten Stunde an humanitäre Hilfe geleistet. Und das Engagement wird sehr geschätzt."