Politik/Ausland

Erster Tag des Mega-Prozesses gegen "Reichsbürger" gestartet

Zwei Tage nachdem mehr als eintausend Islamisten in Hamburg zur Gründung einer islamistischen Diktatur – eines Kalifats – aufgerufen hatten, begann am Montag in Stuttgart der Prozess gegen eine andere Gruppierung, die laut deutscher Staatsanwaltschaft einen gewaltsamen Umsturz geplant haben soll: die Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß.

Dass der Gruppe ein Umsturz in Deutschland tatsächlich gelungen wäre, bezweifeln laut dem deutschen Magazin Stern auch führende Ermittler. Ungefährlich sei sie deshalb aber nicht - rund 380 legal und illegal erworbene Schusswaffen sowie mindestens 148.000 Munitionsteile wurden gefunden. Auch andere Teile an Militärischer Ausrüstung entdeckten die Ermittler: Nachtsichtgeräte, Kampfhelme, schusssichere Westen. Dazu kamen laut Anklage konkrete Pläne – unter anderem von „Säuberungen nach dem Umsturz“.

Anklage wegen versuchten Mordes

Und so wird der Gruppe die Bildung einer Terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a vorgeworfen – einem Paragrafen, der in den 70ern im Zuge des RAF-Terrors im deutschen Strafgesetzbuch Einzug fand und der vor allem von linker Seite kritisiert wird.

Dort, wo sich vor fast 49 Jahren Mitglieder der linksextremen Terrororganisation RAF verantworten mussten, standen am Montag neun Angeklagte (zwischen 42 und 60 Jahre alt) – einer von ihnen wegen versuchten Mordes: Er soll im März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem Gewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos geschossen und dabei Beamte verletzt haben.

Allen wird neben der Bildung einer Terroristischen Vereinigung die sogenannte „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ vorgeworfen. Die Angeklagten sollen Mitglieder des militärischen Arms der Gruppe sein, der eine etwaige Machtübernahme der Bundesrepublik Deutschland mit Waffengewalt hätte durchsetzen sollen. Dazu ist laut Anklage schon mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von mehr als 280 militärisch organisierten „Heimatschutzkompanien“ begonnen worden. Einige dieser Einheiten sollen durch „mehrere Dutzend Mitglieder“ laut Staatsanwaltschaft einsatzfähig gewesen sein. 

"Keine netten Onkels"

Der Präsident des Oberlandesgerichts, Andreas Singer, sprach im Vorfeld von einem der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: „Das sind keine netten Onkels, die irgendwelche komischen Ideen haben. Im Grundsatz handelt es sich um Leute, die der Auffassung sind, dass es die Bundesrepublik nicht gibt und man sich gegen sie wenden muss.“

Es ist der erste von drei Mammutprozessen gegen die Gruppe, die nach einer großangelegten Anti-Terror-Razzia in mehreren deutschen Bundesländern und im Ausland kurz nach dem Nikolaustag 2022 bekannt geworden war. Als Oberhaupt einer neuen Staatsform hätte Reuß fungieren sollen. Auch Ex-Soldaten gehören zu den Beschuldigten.

Neben den Umsturzplänen hingen einige Mitglieder Verschwörungstheorien an: Einer war etwa der Überzeugung, deutsche Politiker würden in geheimen Tunneln in der Schweiz ihre „satanischen und pädophilen Gelüste“ ausleben. Medienberichten zufolge soll die Reichsbürger-Gruppe zwei Schweizer mit der Suche nach dem vermeintlichen Kinderschänderring beauftragt und ihnen dafür insgesamt fast 140.000 Euro gezahlt haben. Eine Wahrsagerin sah die Vorhaben der Gruppe von der Macht der Sterne gedeckt, sah in den kommenden Jahren „eine Zeit des großen Umbruchs, sowohl wirtschaftlich, medizinisch als auch politisch" kommen. 

In Frankfurt sind dann ab 21. Mai die mutmaßlichen Rädelsführer angeklagt, in München stehen ab 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht. Die Aufsplittung des Falls in mehrere Verfahren - schlicht notwendig aufgrund der großen Anzahl an Angeklagten - stellt die Prozessbeteiligten vor große Herausforderungen. Die Prozesse dürften sich über Jahre hinziehen.