Erst Versuche der Versöhnung, dann Tote in Äthiopien
Von Johannes Arends
Das von einem blutigen Bürgerkrieg gezeichnete Äthiopien ist Heimat einer der ältesten christlichen Strömungen der Welt, die Mehrheit der Bevölkerung ist äthiopisch-orthodoxen Glaubens. Gemäß der Tradition feierten also mehr als 50 Millionen Menschen im Land am Freitag Weihnachten, das dort „Genna“ genannt wird.
Zu diesem Anlass hat die Regierung rund um Ministerpräsident Abiy Ahmed entschieden, etliche politische Gefangene freizulassen. So wurden etwa der regimekritische Journalist Eskinder Nega und der oppositionelle Medienunternehmer Jawar Mohammed ebenso aus der Haft entlassen wie mehrere ranghohe Mitglieder der von der Regierung als Terrororganisation eingestuften Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), der Gegenseite im seit einem Jahr schwelenden Bürgerkrieg.
„Wir brauchen zu diesem Zeitpunkt nationale Versöhnung, damit die Missstände, die unser Land nach dem Angriff auf die Armee befallen haben, ein Ende finden“, erklärte Ahmed am Freitag. Es war der bisher deutlichste Schritt, den der 45-Jährige auf die separatistische Bevölkerungsgruppe der Tigray zumachte. Ahmed kündigte zudem einen Dialog an und meinte, man sei bereit, „alle dafür nötigen Opfer zu erbringen“.
56 Tote bei Luftangriff
Diesen versöhnlichen Worten am Weihnachtsabend folgten allerdings noch in der Nacht gegensätzliche Taten: Bei einem Luftangriff von Regierungstruppen wurden Hilfskräften zufolge 56 Menschen getötet und mindestens 30 weitere verletzt. Ziel des Bombardements am Freitagabend war ein Flüchtlingslager in der Stadt Dedebit, an der nordwestlichen Grenze der Konfliktregion Tigray. Weder Ahmed selbst, noch irgendein anderer Regierungsvertreter äußerten sich bisher dazu. Sprecher dementierten am Samstag allerdings Angriffe auf Zivilisten.Johannes Arends