Politik/Ausland

Donald Trump über sich: "Der Präsident hat totale Macht"

In der Coronavirus-Krise versucht Donald Trump den durch nachgewiesene Versäumnisse seiner Regierung erlittenen Autoritätsverlust bei Wählern und Experten durch diktatorisch anmutende Posen auszugleichen.

Mit der Last von fast 600.000 Infektionen und über 23.000 Toten auf den Schultern erklärte sich der US-Präsident bei der Frage, wann und wie die Vereinigten Staaten demnächst die strikten Einschränkungen des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens aufheben, für absolut allein zuständig.

“Wenn jemand Präsident der Vereinigten Staaten ist, hat er totale Macht. Und so soll es auch sein. Totale Macht”, sagte Trump im Laufe seiner täglichen Corona-Pressekonferenz am Ostermontag im Weißen Haus. Eine Journalistin konnte das nicht fassen und fragte nach.

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Er kündigte an, binnen weniger Tage mit einem Plan aufzuwarten, wie die USA das Prinzip der “sozialen Distanzierung” (Ausgehverbote etc.) nach Zustimmung von Wissenschaft und Medizin schrittweise aufgeben können, um das ökonomisch nahezu stillgelegte Land wieder zu aktivieren. Ein Schritt, den Trump bei perspektivisch über 20 Millionen Arbeitslosen Ende dieser Woche und größer werdenden Risiken für seine Wiederwahl im November, für überfällig hält.

Verfassungswidrig

Staatsrechtler verschiedener Universitäten und die oppositionellen Demokraten wiesen die Haltung Trumps (“Der Präsident sagt, wo’s langgeht. Offizielle der Bundesstaaten können gar nichts machen ohne die Zustimmung des Präsidenten”) als völlig abwegig zurück. Tenor: Nirgends stehe in der Verfassung geschrieben, die auf Föderalismus und Gewaltenteilung viel Wert legt, dass der Präsident das Recht hat zu entscheiden, wann etwa eine Firma wieder den Betrieb aufnimmt - oder nicht. Die Verantwortung dafür liege einzig und allein bei den Gouverneuren der 50 Bundesstaaten bzw. den Bürgermeistern von Städten und Gemeinden, die entsprechende Shutdown-Regelungen getroffen haben, um die Verbreitung des Virus zu bremsen.

Trump, der Statist

Dort zeichnet sich eine Gegenbewegung ab, die Trump in die Rolle des Statisten schiebt. So haben sich die Gouverneure (vergleichbar mit deutschen Ministerpräsidenten der Länder) von Kalifornien, Oregon und Washington State an der Westküste sowie von New York, New Jersey, Connecticut, Pennsylvania, Rhode Island, Massachusetts und Delaware an der Ostküste auf ein eng abgestimmtes Vorgehen verständigt, wie und wann sie ihre regional stark vernetzten Wirtschaftslandschaften schrittweise wieder öffnen und Ausgangsbeschränkungen lockern wollen. Wahrscheinlicher Zeitrahmen laut Medienberichten: ab Mitte Mai. 

Wie aus dem Umfeld von Marylands Gouverneur Larry Hogan (Republikaner) zu hören ist, der zurzeit den Vorsitz der Vereinigung der US-Gouverneure innehat, will man sich dabei nicht von Trump abhängig machen, von dem in der Vergangenheit oft widersprüchliche oder verfrühte Anordnungen kamen.

Stellvertretend für die Initiative der Bundesstaaten sagte New Jerseys Gouverneur Phil Murphy, ehemals US-Botschafter in Berlin, dass die wirtschaftliche Gesundung nur dann eingeleitet werden dürfe, wenn sich bei Infektionen und Todeszahlen ein nachhaltig rückläufiger Trend  abzeichnet. Wer zu früh den Fuß von der Bremse nehme und Restriktionen aufhebe, riskiere eine zweite Corona-Welle inklusive Überforderung des Gesundheitssystems.

In den zehn genannten Bundesstaaten, die mit einer Ausnahme (Massachusetts) von Demokraten regiert werden, besteht die Befürchtung, dass Trump Amerika zu schnell und zu radikal den Weg zurück in die Normalität weisen könnte.

Als Dreh- und Angelpunkt für eine Lockerung der Auflagen sehen die Gouverneure die flächendeckende Ausweitung von Tests, die a) Auskunft über eine Infizierung geben und b)  Informationen darüber erzeugen, wer bereits mit dem Covid-19-Virus infiziert war und nun wahrscheinlich immun ist. Erst wenn 70 % der Bevölkerung eine Infektion überstanden haben, sagen Epidemiologen der Johns Hopkins-Universität in Baltimore, könne man ein Pandemie als besiegt bezeichnen. 

Mangel an Tests

Über den Mangel an Tests (bisher erst knapp drei Millionen in ganz Amerika) gibt es seit Wochen Streit zwischen Trump und den Bundesstaaten. Der Präsident weist den Gouverneuren die Verantwortung zu. Die kontern mit der Tatsache, dass es die Seuchenbehörde CDC der Zentralregierung war, die bereits im Januar die Einführung eines Tests durch eigene Fehler maßgeblich verzögert hatte.

Welchen Ausgang die Rivalität nehmen wird, ist noch offen. Trump deutete zwischen den Zeilen an, am längeren Hebel zu sitzen, da die Bundesstaaten finanziell und bei der Beschaffung von Material zur Bekämpfung der Epidemie auf Washington angewiesen seien. Gouverneuren, die sich einer Öffnung ihrer Bundesstaaten verweigerten, wenn er sie anordne, prophezeite Trump politischen Totalschaden. “Denjenigen will ich sehen, der sich dann zur Wahl stellt”, sagte Trump.

Einer seiner wirkungsvollsten Gegenspieler, Andrew Cuomo, konterte die Allmachtsphantasien Trumps kühl. “Der Präsident hat keine allumfassende Macht”, sagte der wegen seiner Rolle als oberster Krisenmanager geschätzte Gouverneur New Yorks, “wir haben eine Verfassung, wir haben keinen König.” 

Anti-Malaria-Mittel

Für Trump war das zum Ende der Ostertage nicht die einzige schlechte Nachricht, die Zweifel an seiner Autorität nährt. Ausgerechnet der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA konterkariert die umstrittene Werbung, die Trump seit Wochen für das Anti-Malaria-Mittel Hydroxychloroquine als Medikament für Coronavirus-Kranke mit schweren Symptomen macht. In einer internen Information an die Mitarbeiter warnte die “Central Intelligence Agency”: Das Präparat hat gefährliche Nebenwirkungen, inklusive akutes Herzversagen.