Die irre Welt des Neonazis von Halle
Von Armin Arbeiter
„Ich schmiss eine Granate in den Hof. Ich habe die Frau erschossen, als ich die Tür nicht aufbekam.“ Freimütig erzählt Stephan Balliet im Gerichtssaal, wie er zwei Menschen – eine 40 Jahre alte Frau und einen 20 Jahre alten Mann ermordete, weitere schwer verletzte.
Weil er die Frau als minderwertig empfunden habe, habe er ihr das Recht auf Leben abgesprochen. Sein zweites Opfer habe er irrtümlich für einen Muslim gehalten.
Mehr als neun Monate ist es her, dass er zum jüdischen Jom Kippur-Fest in eine Synagoge eindringen und dort alle betenden Juden erschießen wollte. Was geht in einem Menschen vor, der zu einer solchen Tat fähig ist? Seinen Mordzug mit einer Helmkamera filmt und online ins Internet streamt?
„Nach 2015 habe ich entschieden, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun, die mich mit Muslimen und Schwarzen ersetzt“, sagte er beim Prozessauftakt in Magdeburg – und bekam sofort eine Rüge der Richterin. „Ich werde hier im Saal keine Beschimpfungen von Menschen dulden und habe die Möglichkeit, Sie vom Verfahren auszuschließen. Ich dulde nicht, dass Sie im Saal Straftaten begehen und Menschen beleidigen!“, wies sie ihn zurecht.
13 Straftaten werden dem Angeklagten angelastet, darunter zweifacher Mord und versuchter Mord. 43 Nebenkläger ließ das Gericht vor Prozessbeginn zu und benannte insgesamt 147 Zeugen.
Die Bundesanwaltschaft wirft Balliet vor, „aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens“ geplant zu haben.
Nach Beginn der Flüchtlingskrise habe sich Balliet mehr und mehr Waffen gekauft. „Als Selbstverteidigungswaffe gegen Muslime und Schwarze.“
Nachdem er sein ganzes Geld für Schusswaffen ausgegeben habe, habe er begonnen, selbst welche herzustellen.
Im Internet radikalisiert
Er sei ein Einzelgänger gewesen, habe sich keiner Gruppierung angeschlossen, da diese „von Verfassungsschutzleuten unterwandert“ seien. Er habe vor allem Interesse am Internet gehabt, weil man sich dort frei unterhalten könne. „Man fragt sich natürlich, wie man solche Taten verhindern kann, ich habe da natürlich kein Interesse dran“, sagte Balliet.
Nebenkläger im Prozess zum rechtsextremen Terroranschlag von Halle erhoffen sich vor allem eine Beleuchtung der rechtsradikalen Strukturen in Deutschland. Es gehe darum, zu klären, wie sich der Täter so radikalisieren konnte, sagte Nebenkläger-Anwalt Juri Goldstein.
Balliet sagte vor Gericht aus, dass das Attentat im neuseeländischen Christchurch der Auslöser für seine Tat war.
Am 15. März 2019 hatte ein Rechtsradikaler dort in zwei Moscheen 51 Menschen getötet und ebenso die Taten live im Internet übertragen.
Für den Prozess sind zunächst 18 Verhandlungstage bis Mitte Oktober angesetzt.