Der Obama-Podcast: Hohe Empathie-Dosis für Amerikas Ohren
Von Dirk Hautkapp
Dass da zwei politische Ikonen miteinander plaudern, die gemeinsam auf fast 140 Millionen Twitter-Anhänger kommen und acht Jahre lang das globale „Power Paar“ verkörperten, hat man schon nach fünf Minuten dieser lohnenden Podcast-Premiere vergessen.
Michelle Obama ist als Geschichtenerzählerin zu versiert und emphatisch und ihr erster Gast, Gatte Barack, zu eloquent und lässig, um ihr Publikum von oben herab zu schulmeistern. Oder gar zu langweilen. Als Amerikas erste schwarze First Lady anhebt, „einen der Gründe“ zu nennen, warum sie sich weiland in Chicago in den jungen Sozialarbeiter mit den prägnanten Ohren verliebt hat, der 2008 Amerikas erster schwarzer Präsident werden sollte, ulkt Barack Obama dazwischen: „Es war also nicht nur wegen meines Aussehens, aber das geht in Ordnung.“
War es nicht. Michelle Obama: „Weil Du von dem Prinzip geleitet bist, das wir alle unseren Brüdern und Schwestern die Nächsten sind. Und genau so bin ich erzogen worden.“ Solidarität zu üben, Gemeinsinn zu leben, nicht nur an sich selbst zu denken im Privaten wie Beruflichen, ist offenbar der rote Faden der neunteiligen Reihe, die Michelle Obama gegen blendende Bezahlung mit dem Streaming-Riesen Spotify ausgearbeitet hat. (Link zum Podcast: https://open.spotify.com/episode/5JzuNYOm8p6u5WzU9VBWid?si=c7VOtFFySRKvf3Cl00VZxw)
Orientierung geben
Nach enorm erfolgreichen Buchveröffentlichungen und Filmproduktionen baut die 56-Jährige damit ihre „Marke“ als Influencerin und informelle Chef-Therapeutin der von Selbstzweifeln geplagten Nation weiter aus.
Die zweifache Mutter möchte Orientierung geben in einer rastlosen Zeit, in der viele Menschen, noch verstärkt durch die Corona-Epidemie, ihren Platz in der Gesellschaft suchen. Dass sie, wie Ehemann Barack am Ende formuliert, für ihre Kinder Sasha und Malia ein Land im Kopf hat, „in dem jeder respektiert wird und das sich um alle kümmert“, kommt im Sommer 2020 nicht von ungefähr.
Donald Trumps Name fällt in diesem heimeligen Talk (zwischendurch klingen coole Soundbites von Stevie Wonder und anderen R&B-Stars durch) nicht ein einziges Mal. Auch Joe Biden wird nicht erwähnt. Aber zwischen den Zeilen ist zu spüren, wie sehr sich die Obamas wünschen, dass der weiße Demokrat aus Wilmington, der acht Jahre lang an der Seite Obamas als Vizepräsident diente, den Amtsinhaber am 3. November zur Eintagsfliege macht.
Stille Botschaft: Trump muss weg
Mit verteilten Rollen, er zuletzt in hoch professionellen Video-Konferenzen und virtuellen Spendeneintreiber-Meetings für Biden, sie mit ihrem Verein „When we all vote“, der sich der Stärkung der notorisch miserablen Wahlbeteiligung in den USA verschrieben hat, senden die Obamas mit wachsender Intensität eine Botschaft aus, die schlicht so lautet: Trump muss weg. Sonst kommt der amerikanische Patient nicht mehr zu Kräften.
Michelle Obama hilft dabei eine Popularität, die aus Sicht von Wahlkampf-Strategen „bares Gold ist“. Nach dem Auszug aus dem Weißen Haus Ende Januar 2017 taxierten Meinungsforscher ihren Beliebtheitswert auf fast 70 Prozent. Leiht sie ihre positive Energie Joe Biden, sagen Wahlkampf-Experten, könne das der „Treibstoff sein“, der Trump im Herbst aus dem Amt fegt.