Der Brexit wird wahr: Heute sagt das britische Parlament Ja
Eine Woche nach Boris Johnsons Wahlsieg ist es so weit: Das britische Parlament stimmt am Nachmittag über das Austrittsabkommen mit der EU ab. Dazu wird der alt-neue Premierminister das entsprechende Ratifizierungsgesetz einbringen.
Der Brexit wird damit per 31. Jänner tatsächlich Realität. Wenn dann auch das EU-Parlament dem Austrittsabkommen zustimmt – was als sicher gilt – wird das Vereinigte Königreich die EU nach 46 Jahren verlassen. "Heute werden wir das Versprechen, das wir den Menschen gegeben haben, einlösen und die Brexit-Abstimmung zu Weihnachten einpacken", kündigte Johnson an.
Die Abstimmung im Livestream
Eine Mehrheit bei der Abstimmung gilt nach Johnsons klarem Sieg bei der Parlamentswahl als sicher: Seine Tories haben einen Vorsprung von 80 Sitzen auf alle anderen Parteien. Seine Vorgängerin Theresa May war drei Mal mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Deal im zerstrittenen Parlament durchgefallen.
Und noch einen Paukenschlag will Johnson am Freitag setzen. Eigentlich ändert sich für Großbritannien auch nach dem Brexit vorerst nichts: Bis Ende 2020 gelten alle Verträge und Verbindungen zur EU weiter. Doch per Ende des kommenden Jahres soll mit dieser Übergangsfrist endgültig Schluss sein. Johnson will durchsetzen, dass diese Frist nicht über 2020 hinaus verlängert werden darf.
Kopfschütteln bei Experten
Das bedeutet, unter gewaltigem Zeitdruck ein Freihandelsabkommen zwischen London und EU auszuhandeln. Experten halten dies für völlig unmöglich. John aber will offenbar einen Pflock einschlagen: Ab 2021 soll das Vereinigte Königreich endgültig alle alten Verbindungen gekappt haben. Und unklar ist dabei auch noch immer, wie viel wirtschaftliche Nähe Großbritannien dabei zu seinem künftigen Nachbarn EU sucht – und worin die EU übereinstimmen kann. Konkrete Verhandlungen beginnen erst im Februar.
Das Parlament war am Donnerstag feierlich von Königin Elizabeth II. (93) wiedereröffnet worden - allerdings mit weniger Pomp als üblich. Johnson verdankt seinen deutlichen Sieg in der vergangenen Woche insbesondere Wählern aus der Arbeiterschicht in den ehemaligen Labour-Hochburgen in Mittel- und Nordengland. Um sie zu locken, hatte er ein Ende der Sparpolitik angekündigt. Der Premier steht nun unter Druck, diese Versprechen - zum Beispiel Finanzspritzen für den staatlichen Gesundheitsdienst NHS und Schulen - auch einzulösen.
Die Schotten mucken auf
Mächtig Gegenwind bekommt Johnson aus dem Norden Großbritanniens: Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte den Premier schriftlich auf, einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum zuzustimmen.
Rund 55 Prozent der Schotten hatten sich 2014 bei einem ersten Referendum gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch das Brexit-Referendum von 2016 verändert. Damals stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Die Schotten votierten aber mit 62 Prozent gegen den Brexit.