Warum hält Venezuelas Militär Maduro noch die Stange?
Von Irene Thierjung
„Die nächsten Tage sind entscheidend“, sagt Günther Maihold, Lateinamerika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Für Mittwoch (Ortszeit) und Samstag hat die venezolanische Opposition zu neuen Protesten gegen Staatschef Nicolas Maduro aufgerufen.
Ungleich entscheidender als die Haltung der Bevölkerung ist allerdings die des zentralen Machtakteurs im Land: des Militärs. Dieses hält weiter am international kritisierten Staatschef fest. Viele der 1200 Generäle sind zu eng mit dem korrupten sozialistischen Regime verwoben, als dass sie diesem ohne persönliche Konsequenzen den Rücken kehren könnten.
Daran änderten bisher auch großzügige, in Kasernen und online verbreitete Amnestieangebote der Opposition nichts. Ebensowenig die Sanktionen und indirekten Drohungen der USA mit einer militärischen Intervention.
Zwar gibt es in den unteren militärischen Rängen durchaus Unzufriedene, diese stellen laut Maihold aber noch keine kritische Masse dar.
Maduro ist damit derzeit auf der sicheren Seite, wenn er wie am Mittwoch europäischen Forderungen nach neuen Präsidentenwahlen eine Abfuhr erteilt und den USA für den Fall einer Intervention mit einem „Vietnam in Lateinamerika“ droht.
Enorme Macht
Den Grundstein für die Macht des Militärs und damit auch für dessen Anteil am wirtschaftlichen Niedergang Venezuelas legte Maduros Vorgänger Hugo Chavez. Dieser regierte das erdölreichste Land der Welt von 1999 bis zu seinem Tod 2013 und krempelte es durch die von ihm ausgerufene „bolivarischen Revolution“ völlig um.
„Unter Chavez hat die Armee entschieden, dass sie nicht nur eine nationale, sondern eine bolivarische Armee sein will. Sie hat ihre politische Zurückhaltung aufgegeben“, erläutert Maihold. „Das wurde dadurch erleichtert, dass Chavez aus der Armee kam, er hat den richtigen Ton getroffen.“
Chavez gelang es, die Armee durch lukrative Beteiligungen als loyalen Mitstreiter an sich zu binden. „Eine Durchführung der Regierungsgeschäfte ohne Beteiligung der Armee wäre heute völlig undenkbar“, so Maihold.
Am Schwarzmarkt verhökert
Die Armee kontrolliert zentrale Sektoren der Wirtschaft. Neun Generäle bekleiden Ministerposten, das Militär ist zudem für die staatliche Erdölgesellschaft PDSVA und die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten zuständig.
„Sie haben Zugriff auf Lieferungen, die teils in den Schwarzmarkt fließen, weiter verhökert werden und dadurch ein zusätzliches Einkommen bescheren“, sagt Maihold. Auch im Finanzbereich geben Militärs den Ton an, manche sind auch in Drogenhandel und andere kriminelle Geschäfte involviert.
Mit beiden Händen ausgegeben - und eingesteckt
Solange die Erdöleinnahmen sprudelten, funktionierte dieses System scheinbar. Die Petro-Milliarden erlaubten es dem Regime, großzügige Sozialprogramme für die Bevölkerung zu starten, diesen mit gratis Benzin und massiv subventionierten Lebensmitteln unter die Arme zu greifen und damit als treue Unterstützer zu gewinnen.
Dreimal im Amt bestätigt, agierte Chavez immer autoritärer, durch Zwangsverstaatlichungen sicherte er sich den Zugriff auf Medien und große Unternehmen. Als Manager setzte er loyale Parteigänger ein, denen oft Kompetenzen fehlen. Misswirtschaft und Korruption führten dazu, dass viele Erdölanlagen und Raffinerien heute in miserablem Zustand sind.
Das Regime verabsäumte es zudem, die in den Nullerjahren reichlich vorhandenen Devisen in die kaum entwickelte Landwirtschaft und erzeugende Industrie zu investieren, sondern importierte weiter in großem Stil Nahrung, Medikamente und alltägliche Güter wie WC-Papier und Windeln aus dem Ausland.
Bereits am Ende der Ära Chavez hatte das Land mit Problemen zu kämpfen, die sich Jahr für Jahr noch steigerten: Massiver Währungsverfall, Lebensmittelengpässe, Massenflucht ins Ausland und immer wieder aufflammende Proteste.
Bisher konnte Maduro diese immer aussitzen.