Bunt, bunter, Kanadas neue Regierung
Von Jürgen Klatzer
Es gibt drei Dinge, die mit Kanada in Verbindung gebracht werden: Erstens die Ahornblattflagge, die im Februar 1965 Großbritanniens Union Jack abgelöst hat; zweitens die Québécois, die frankokanadische Bevölkerung im Osten des Landes, die bereits als eine eigene Nation im geeinten Kanada anerkannt ist; und drittens die Mounties, die nationale Polizei, die mit dem traditionell roten Waffenrock, den Reitstiefeln und dem braunen Hut weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind.
Ein Kabinett für 2015
Der 43-jährige Trudeau ist so etwas wie der Rockstar der kanadischen Politik. "Ich werde der Premierminister aller Kanadier sein", versprach er der Bevölkerung. Der Vorsitzende der Liberalen Partei ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger für die Legalisierung von Marihuana, das Recht auf Abtreibung und gegen die kanadische Beteiligung am Krieg gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat".
Die neue Ministerriege besteht aus einer perfekten Balance zwischen den Geschlechtern, 15 Frauen und 15 Männer. Viele von ihnen haben für Politiker sehr ungewöhnliche Lebensläufe, berichtet Radio Canada. So befinden sich in der Regierung ein Inuit, ein Flüchtling aus Afghanistan, ein Homosexueller, ein Astronaut und vier Sikhs, von denen einer fälschlicherweise als Khalistan-Fundamentalist beschuldigt, gefoltert und für zwei Jahre in Indien gefangen genommen worden ist.
Sikhs und Indigene
Es sei ein Disput mit Stephen Harper um die indigenen Völker Kanadas gewesen, der Jody Wilson-Raybould veranlasst hat, für die Liberalen zu kandidieren. Die neue Justizministerin ist eine von acht Indigenen im neuen Parlament, sie stammt von den Kwakwaka'wakw ab. Zunächst arbeitete Puglaas, so ihr Kwak'wala Name, als Staatsanwältin in British Columbia, 2009 wurde sie zur Regionalchefin der First Nations (indigene Völker in Kanada) gewählt.
Sportministerin bei Paralympics
Als Ministerin für Demokratische Institutionen wurde die in Afghanistan geborene Maryam Monsef ernannt. Im Kindesalter flüchtete die mittlerweile 30-Jährige mit ihrer Mutter aus dem Land am Hindukusch. Ihr Vater und ihr Onkel sind während sowjetischer Invasion in den 80er Jahren aus bisher unerklärlichen Gründen verschwunden. Es wird vermutet, dass sie sich der antisowjetischen Bewegung in Afghanistan angeschlossen haben.
Ex-Chef in der Regierung
Für das Amt als Verkehrsminister hat sich Trudeau einen besonderen Experten ausgesucht. Denn wer könnte künftige Transportschwierigkeiten nicht besser bewältigen, als der erste Kanadier im Weltraum? Der 66-jährige ehemalige Astronaut Marc Garneau war drei Mal im All (1984, 1996 und 2000) und jahrelang Präsident der kanadischen Weltraumbehörde.
Geschlechter-Parität
Neben den zahlreichen Neulingen in der Regierung holte Trudeau Alteingesessene wieder in die vorderste Reihe. Dazu gehört unter anderem der ehemalige Vorsitzende der Liberalen Partei, Stéphane Dion, der nun das Amt des Außenministers innehat.
"Weil wir das Jahr 2015 schreiben"
Experten in Kanada sehen die Besetzung im neuen Kabinett positiv. Angesichts der steigenden Islamfeindlichkeit im Land sei Trudeaus Entscheidung, auf Multikulturalität zu setzen, mutig und richtig gewesen. Das neue Kabinett sei ein Potpourri aus routinierten Politikern und Newcomern, die Erfahrungen aus der Privatwirtschaft und aus Nichtregierungsorganisationen mitbringen - ein Modell für das 21. Jahrhundert, das auch ein Ressort "Umwelt und Klimawandel" vorsieht.