Brexit-Deal abgeschmettert: So geht es jetzt weiter
Von Marie North
Es war eine vernichtende Niederlage für Theresa May Dienstagabend. 202 Abgeordnete stimmten für ihren Deal zum Austritt aus der Europäischen Union, mehr als doppelt so viele - 432 - stimmten dagegen, darunter 118 Abgeordnete aus den eigenen Reihen.
Ob es der bittere Auftakt eines langen Abschieds war – oder doch noch ein letzter, überaus lauter Weckruf für die britische Premierministerin, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Bereits heute Abend folgt ein Misstrauensvotum gegen May gefolgt von einem weiteren Ringen um die Austrittsbedingungen Großbritanniens aus der Europäischen Union. Allerdings wird die Zeit für einen geordneten Austritt – wie auch immer ein solcher nach der gestrigen Abstimmung ausschauen soll – knapp. Am 29.3. soll sich Großbritannien aus der Union verabschieden.
Hier die wichtigsten Fragen.
Wie stehen Mays Chancen das Misstrauensvotum am Mittwoch zu überstehen?
Angeblich nicht schlecht. Um die Regierung zu stürzen, bräuchte Oppositionschef Jeremy Corbyn die Unterstützung von Abweichlern aus dem Regierungslager oder der nordirischen DUP, von deren Stimmen die konservative Minderheitsregierung abhängig ist. Dass eine der beiden Seiten den Antrag des Labour-Chefs stützt, wird nicht erwartet. Vertreter beider Parteien kündigten bereits im Laufe des Abends an, May stützen zu wollen. May hatte von sich aus im Anschluss an die Abstimmung Dienstagabend vorgeschlagen, sich dem Misstrauensvotum zu stellen. Die britische Premierministerin mag auch in den eigenen Reihen nicht sonderlich beliebt sein, deshalb aber Neuwahlen und einen Premierminister von Labour, Corbyn, zu riskieren, will wohl niemand von Seiten der Regeirungsparteien.
Vor dem Votum wird sich May den Abgeordneten noch in der wöchentlichen Fragestunde stellen.
Mit einer Abstimmung wird nach 20 Uhr (MEZ) gerechnet.
Welche Optionen liegen am Tisch?
May hat hoch gepokert und ist tief gefallen und scheint trotzdem nicht aufzugeben. Nach der Niederlage im britischen Parlament sprach sie mit fester Stimme. Die Abgeordneten hätten entschieden, allerdings sei nach der Abstimmung immer noch unklar, was das britische Parlament denn eigentlich wolle, so May in den Minuten nach der Abstimmung. Stellt sich die Frage wie es weitergeht. Die Optionen sind eigentlich dieselben wie bisher.
Szenario 1: Großbritannien tritt mit Ende März ohne Abkommen aus der Europäischen Union aus. Das wäre der sogenannte harte Brexit.
Szenario 2: Die Anhänger eines zweiten Referendums setzen sich durch. Das Volk stimmt noch einmal grundsätzlich über den EU-Austritt ab. Befürworter gehen davon aus, dass eine neuerliche Abstimmung mit einer Mehrheit für einen Verbleib in der EU enden würde. Wenn sie sich dabei nicht irren.
Szenario 3: Es findet doch noch ein geordneter Brexit statt. Dafür bräuchte May aber einen neuen Plan, eine Mehrheit und willige EU-Partner. Sie hat bereits angekündigt mit allen Parteien Gespräche zu führen. Für den von May jetzt gesuchten Konsens könnte es aber zu spät sein, von Seiten der Eu werden Nachverhandlungen auch weiterhin abgelehnt.
Woran ist May gescheitert?
Ein Hauptargument der Gegner von Mays Brexit-Deal blieb bis zuletzt der sogenannte Backstop, die Auffanglösung für Nordirland. Durch den Backstop wäre Nordirland nach dem Brexit noch in den Regelungen der EU verhaftet geblieben, um eine Grenze auf der irischen Grenze zu verhindern. Die Lösung hätte bestanden bis ein Abkommen darüber zwischen der EU und Großbritannien die Verhältnisse geklärt hätte. Kritiker fürchteten die Einverleibung Nordirlands durch die EU und die Entstehung einer Grenze innerhalb Großbritanniens. Die Forderung nach einem Enddatum für den Backstop hat die EU bis jetzt abgelehnt.
Außerdem wird der Premierministerin vorgeworfen, sie hätte im Vorfeld der Abstimmung und auch der Verhandlungen des Brexit-Deals mit der EU nie versucht auch die Opposition für ihren Deal zu gewinnen und einen Konsens zu schaffen. Die Fronten zwischen britischer Regierung und Opposition blieben damit bis zum Schluss verhärtet.
Kann das Austrittsdatum aufgeschoben werden?
Für eine Verschiebung des Austritts soll es angeblich eine lagerübergreifende Mehrheit geben. Britische Abgeordnete erwägen zudem einem Insider zufolge einen Antrag, um das Brexit-Verfahren nach EU-Artikel 50 zu verlängern, hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Premierministerin Theresa May hat sich bisher aber strikt gegen eine Verschiebung des Austritts gestemmt und ihre Position am Dienstag im Unterhaus auch nochmals bekräftigt.
Und auch die EU scheint von einer Verschiebung der Verschiebung willen nichts zu halten. Aus Brüssel heißt es, für ein zweites Referendum oder Neuwahlen wäre eine Verschiebung des Austrittsdatums vorstellbar, sonst nicht.
Was sind Mays Pläne?
So genau weiß das niemand, bekannt ist nur ein Datum. Sollte sie das Votum am Mittwochabend wie erwartet überstehen, wolle sie sich mit Vertretern aller Parteien treffen, um einen Ausweg zu suchen. Bereits am kommenden Montag wolle sie dem Parlament dann einen Plan B vorlegen, wie es nun konkret weitergehen soll.
Fahrplan in aller Kürze
Es zeichnen sich folgende Schritte bis zum britischen EU-Austritt ab:
16.1.: Angekündigtes Misstrauensvotum der oppositionellen Labour-Partei gegen die britische Premierministern Theresa May (20.00 Uhr)
21.01.: Premierministerin May will ihren Plan B vorlegen - vorausgesetzt, sie übersteht das Misstrauensvotum.
31.01.: Spätestens sieben Sitzungstage später - also am 31. Jänner - muss die Regierung über den Plan B abstimmen lassen. Die Abgeordneten könnten den Plan B ändern und eine engere Anbindung an die EU fordern oder sogar ein zweites Referendum.
29.03.: An diesem Tag um 23.00 Uhr britischer Zeit tritt das Vereinigte Königreich aus der Staatengemeinschaft aus - falls der Brexit nicht auf Wunsch Großbritanniens verschoben wird.