Schockbericht aus Brasilien: Bolsonaro plante Staatsstreich und Mord an politischen Rivalen
Von Johannes Arends
Der Bericht war mit Spannung erwartet worden, die Deutlichkeit des Inhalts sendete dann doch Schockwellen durch den siebtgrößten Staat der Erde. Am Donnerstag erklärte die brasilianische Bundespolizei, dass das Land im Jänner 2023 nur um Haaresbreite einem gewaltsamen Militärputsch entgangen sei. In dessen Zentrum soll der rechtsextreme Ex-Präsident Jair Bolsonaro gestanden haben.
Auf 884 Seiten führt der Bericht detailliert aus, wie Bolsonaro gemeinsam mit 36 weiteren Verschwörern über Jahre geplant habe, im Falle einer Wahlniederlage 2022 an der Macht zu bleiben. Und nicht nur das: Sogar die Ermordung seines linken Nachfolgers Lula da Silva, dessen Vertrauten Gerardo Alckmin und des obersten Richters Alexandre Moraes habe Bolsonaro geplant.
Sogar für den Fall, dass der Putsch scheitern würde, habe Bolsonaro Vorbereitungen getroffen: Dafür habe es einen „Exfiltrationsplan“ gegeben, der Bolsonaros Flucht „unter Einsatz von Waffen“ möglich gemacht hätte.
Einige führende Generäle verhinderten den Putsch
Über drei Jahre sei der Plan gereift, zunächst säten die Putschisten öffentlich Zweifel an der abgelaufenen Wahl, dann hätte Bolsonaro am 15. Dezember, zwei Wochen vor der Amtsübergabe an Lula, ein „Putschdekret“ unterzeichnen sollen, in dem er die Macht an ein sogenanntes „Krisenkabinett“ abgegeben hätte – bestehend aus zwei Vertrauten: Dem damaligen Verteidigungsminister Walter Braga Netto sowie Sicherheitsminister Augusto Heleno, beides Generäle.
Dazu sei es letztlich nur nicht gekommen, weil sich andere führende Militärs gegen den Putschversuch stemmten. „Die Beweise zeigen, dass der Befehlshaber der Marine, Admiral Almir Garnier, (...) den Putschversuch unterstützte. Der Armee-Befehlshaber Freire Gomes und Carlos Baptista Júnior von der Luftwaffe stellten sich jedoch gegen jede Art von Maßnahme“, heißt es in dem Bericht.
Vor allem die fehlende Unterstützung der Armee habe Bolsonaro letztlich aus Angst vor einem Bürgerkrieg davon absehen lassen, das Putschdekret zu unterzeichnen. An jenem 15. Dezember seien bereits sechs bewaffnete Männer vor dem Höchstgericht postiert gewesen, um Richter Moraes zu töten.
Bolsonaro selbst bestritt die Vorwürfe: „Wenn jemand mit mir über einen Putsch gesprochen hätte, hätte ich ihn gefragt: Was passiert am nächsten Tag? Wie würde die Welt reagieren?“
Racheaktion durch Nachfolger Lula?
Im Falle eines Schuldspruchs müsste der 69-Jährige wohl lange ins Gefängnis. Seine politische Karriere ist bereits schwer beschädigt: Für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2026 ist Bolsonaro wegen seiner wiederholten Behauptung, die Wahl 2022 sei gefälscht gewesen, nicht zugelassen.
Trotzdem gibt es in Brasilien Zeifel daran, ob Bundespolizei unabhängig agiert. Deren Leiter ist nämlich der frühere Sicherheitschef des aktuellen Präsidenten Lula. Lula hatte selbst jahrelang wegen Korruption im Gefängnis gesessen – bis das Höchstgericht sein Urteil aufhob.
Ausgesprochen hatte es einst der bekannte Richter Sergio Moro – ein Vertrauter Bolsonaros, der später als dessen Justizminister diente. Manch ein konservativer Beobachter unterstellt dem Präsidenten somit eine Racheaktion.