Nach Wahlen: Bosnien erlebt Veränderungen - wohl nur scheinbar
Von Mirad Odobašić
Der erste Blick trog nicht: Unter den Hochrechnungen, die am sonntäglichen Wahlabend in bosnischen TV-Sendern eingeblendet wurden, waren als Quelle die Parteien selbst angegeben. Der Grund dafür ist bezeichnend für die Lage in Bosnien-Herzegowina: Die Parteien waren einfach schneller als die Zentrale Wahlkommission. Diese wirkte an diesem Wahlabend wiederum so träge wie der bosnische Staatsapparat selbst, weit weg von der Quelle – im Gegensatz zu Parteien, die auf allen Ebenen ihre Finger im Spiel zu haben scheinen.
Als die Ergebnisse nach langem Warten endlich da waren, zeigten sie ein „sehr erwartetes“ Bild, stellt Dr. Armina Galijaš vom Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz fest. „An der Spitze hat es zwar Rochaden gegeben, richtige Veränderungen aber nicht“, nimmt die Historikerin Bezug auf die Tatsache, dass im dreiköpfigen Präsidium demnächst mit Željko Komšić nur ein altes Gesicht zu sehen sein wird. Der Sozialdemokrat setzte sich im Rennen um den Vertreter der bosnischen Kroaten gegen die Nationalisten-Kandidatin Borjana Krišto durch.
Eine derbe Niederlage mussten die bosniakischen Nationalisten bzw. ihr Parteichef Bakir Izetbegović einstecken. Statt des Sohnes des ersten Präsidenten vom unabhängigen Bosnien-Herzegowina, Alija Izetbegović, schaffte der Kandidat eines Koalitionsbündnisses, Denis Bećirović, den Sprung in den bosniakischen Sessel im Präsidium. "Bećirović, ein Sozialdemokrat, spricht sich zwar für ein proeuropäisches Bosnien und Herzegowina und einen NATO-Beitritt aus, man muss aber auch festhalten, dass er als Kandidat von gleich elf oppositionellen Parteien zu dieser Wahl angetreten war. Unter seinen Wählern sind deshalb sehr wohl auch Anhänger des bosniakischen Nationalismus", erklärt die Historikerin, warum die nominell linke Orientierung Bećirovićs mit Vorsicht zu genießen sei.
Bei den Serben bleibt im Grunde alles beim Alten: Den umstrittenen Milorad Dodik ersetzt seine enge Vertraute Željka Cvijanović. Dodik durfte sich nach zwei Mandaten nicht mehr für die Präsidentenwahl aufstellen lassen. Ein hohes Amt wird der Putin-Anhänger dennoch weiterhin ausüben dürfen - das des Präsidenten der serbischen Teilrepublik Republika Srpska.
Deutscher Party-Crasher
„Die Rochaden im Präsidium täuschen darüber hinweg, dass die nationalistischen Parteien SDA, HDZ und SNSD (bosniakische, kroatische und serbische Nationalistenparteien, Anm.) dennoch das Rennen um die Plätze im Parlament gewonnen und somit weiterhin das Sagen haben“, betont Galijaš.
Für einen Paukenschlag sorgte ein Deutscher. Der internationale Bosnien-Beauftragte Christian Schmidt verlautbarte just am Wahltag die längst angekündigten Änderungen des Wahlgesetzes. „Das war symptomatisch: An einem Tag, an dem Demokratie gefeiert werden sollte, drängt Schmidt im Alleingang ein Gesetz auf, das im Parlament nicht abgesegnet wurde“, sagt Galijaš. Die EU erwarte von Bosnien demokratisches Verhalten, ihr Abgesandter zeige es aber nicht vor, so Galijaš. Sie warnt: „Die Schwächung der Demokratie verstärkt die ethnische Problematik.“
Die vor den Wahlen von vielen prognostizierte Erhaltung des Status quo dürfte also bosnische Realität bleiben.