Politik/Ausland

Biden: Trotz TV-Debakel denkt er nicht dran, aufzuhören

US-Präsident Joe Biden setzt nach dem TV-Debakel äußerlich unbeirrt seinen Wahlkampf fort und weist Forderungen nach einem Rückzug von sich. 

Der 81-Jährige sammelte am Samstag in New Jersey und den Hamptons nahe New York Spenden - die Hamptons sind als Wochenendreiseziel der Reichen und Schönen bekannt.

"Ich verstehe die Bedenken nach der Debatte", gestand der 81-Jährige laut mitreisender Presse bei einer der exklusiven und nichtöffentlichen Veranstaltungen ein. "Ich hatte keinen großartigen Abend, aber ich werde noch härter kämpfen." Auch sein Wahlkampfteam machte klar, dass der Demokrat im Rennen ums Weiße Haus bleiben will. Bei einem Treffen Bidens mit seiner Familie dürften das Debakel und mögliche Konsequenzen jedoch Thema sein.

Biden lieferte sich am Donnerstagabend (Ortszeit) ein TV-Duell mit seinem republikanischen Kontrahenten und Amtsvorgänger Donald Trump. Beide wollen nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus einziehen. Umfragen zufolge läuft es bisher auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus. 

Bidens Auftritt war allerdings ein Fiasko - er verlor den Faden, nuschelte, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Nach dem Duell ist in den USA eine Debatte darüber entbrannt, ob der 81-Jährige der richtige Kandidat für die Demokraten ist. "Um seinem Land zu dienen, sollte Präsident Biden aus dem Rennen aussteigen", schrieb die "New York Times" in einem Meinungsstück.

Bidens Wahlkampfteam versuchte am Wochenende dagegenzuhalten. "Bei der Debatte gab es nur eine Person, die es nicht verdient, als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Je früher Trump die Bühne verlässt, desto besser wird es dem Land gehen", hieß es in einer E-Mail an Parteianhänger. Die Daten würden zeigen, dass das Duell nichts an der Wahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung geändert habe. "Joe Biden wird der Kandidat der Demokraten sein, Punkt", hieß es in einem andrem Text. Eine "Bettnässer-Brigade" würde Biden zum Rückzug auffordern.

Biden reiste am Samstagabend (Ortszeit) nach Camp David, dies ist der Landsitz von US-Präsidenten nahe Washington. Dort wolle Biden die Zukunft seines Wahlkampfs mit der Familie besprechen, berichtete der Sender NBC. Das Weiße Haus wies das zurück. Der Ansatz des Berichts sei nicht korrekt. Die Regierungszentrale betonte, dass der Trip bereits vor der Debatte geplant gewesen sei.

Zuvor wurde Biden der mitreisenden Presse zufolge in der Stadt East Hampton bei New York auf dem Weg zu einer Spendenveranstaltung von einigen Demonstranten in Empfang genommen. Diese hielten demnach am Straßenrand Schilder hoch, auf denen zum Beispiel "Wir lieben dich, aber es ist an der Zeit" oder "Tritt zurück für die Demokratie" stand. 

Bisher steht die erste Reihe der Demokratischen Partei geschlossen hinter Biden. Tatsächlich dürften aber die kommenden Tage entscheidend sein. Denn dann dürften Umfragen zeigen, ob sich Bidens schwacher Auftritt bei den Wählerinnen und Wählern niederschlägt.

Wer könnte Biden nachfolgen?

Beim Parteitag im August in Chicago soll Biden offiziell zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gekürt werden. Die nötigen Delegiertenstimmen dafür hat er bereits bei den Vorwahlen gesammelt - der Krönungsparteitag ist zumindest bisher reine Formsache. Theoretisch ist es aber möglich, dass die Partei kurzfristig umsattelt und Biden aus dem Rennen nimmt. Dafür müsste Biden aber selbst den Weg freimachen und zurückziehen. Beobachter halten das für unwahrscheinlich. Und selbst wenn dieser Fall einträte, stellt sich die Frage, wer Biden nachfolgen könnte im Duell gegen den 78 Jahre alten Trump.

Die natürliche Nachfolge wäre Vizepräsidentin Kamala Harris. Die 59-Jährige ist allerdings sehr unpopulär und dürfte kaum die erste Wahl sein. Ob sie freiwillig Platz machen würde, ist völlig offen. Ein Name, der fällt, ist Gavin Newsom. Der 56 Jahre alte Gouverneur des liberalen US-Bundesstaats Kalifornien schielt schon länger aufs Weiße Haus. Doch ob der eloquente Vollblutpolitiker, der einst Bürgermeister von San Francisco war, bei der ländlichen Bevölkerung punkten könnte, ist fraglich. 

Auch Gretchen Whitmer, die 52 Jahre alte Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, wird als Option genannt. Die Juristin kann eine lange Karriere in der Politik vorweisen und zählt zum Führungszirkel der Demokratischen Partei. Wegen ihrer verhältnismäßig strikten Coronapolitik ist sie zum Feindbild vieler Republikaner geworden.

Als Lichtgestalt gilt für viele Demokratinnen und Demokraten Michelle Obama, die frühere First Lady und Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama. Rufe danach, dass die 60-Jährige ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen soll, gibt es immer wieder. Sie hat das stets zurückgewiesen. Eine plötzliche Meinungsänderung gilt als sehr unwahrscheinlich. 

Viele Beobachter tun die Diskussion über eine Alternative zu Biden ohnehin als bloßes Gedankenspiel ab. Zum einen sei es viel zu kurzfristig, rund vier Monate vor der Wahl auf ein neues Pferd zu setzen, heißt es. Zum anderen denke Biden gar nicht daran, das Handtuch zu werfen.

In den Fokus rückte dabei zuletzt auch First Lady Jill Biden. Ein Videoschnipsel von ihr nach der Debatte sorgte für Spott. Darin lobte sie ihren Ehemann nach dem Duell überschwänglich dafür, dass er "alle Fragen beantwortet" habe. Die Bidens sind seit 47 Jahren verheiratet. Jill Biden gilt als engste Vertraute des US-Präsidenten, das Wort der 73-Jährigen hat Gewicht. Sie stellte sich nach dem verpatzten TV-Duell demonstrativ hinter ihren Ehemann. "Joe ist nicht nur die richtige Person für diesen Job", sagte sie am Samstag bei einem Spendensammel-Event. "Er ist die einzige Person für den Job."