Attentat auf Rushdie: Täter wird wegen Mordversuchs angeklagt
Von Dirk Hautkapp
Hadi Matar war noch nicht einmal geboren, als Salman Rushdie 1988 die islamische Welt mit seinem Buch "Die satanischen Verse" in Wallung brachte und sich vom damaligen geistlichen Oberhaupt im Iran, Ayatollah Ruhollah Khomeini, einen weltweit und bis heute nicht offiziell aufgehobenen Mordaufruf einfing. Das hielt den 24-jährigen Mann aus Fairview im US-Bundesstaat New Jersey nicht davon ab, dem preisgekrönten Autor in aller Öffentlichkeit nach dem Leben zu trachten.
Matar stürmte vor einem Vortrag, den Rushdie am Freitag in einem Konferenz-Center der Chautauqua-Institution im Bundesstaat New York halten wollte, auf die ungesicherte Bühne, und fügte dem 75-Jährigen mit einem Messer schwerste Verletzungen zu. Der Zustand des Schriftstellers, der umgehend in ein Krankenhaus geflogen und mehrere Stunden notoperiert wurde, ist nach Angaben seines Literatur-Agenten Andrew Wylie prekär: "Es sieht nicht gut aus. Salman wird vermutlich ein Auge verlieren; die Nerven seines Arms wurden durchtrennt. Und seine Leber wurde durch einen Stich getroffen und beschädigt."
Am Samstag war der britisch-indische Literat, der seit gut 20 Jahren in New York lebt, noch an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Über das mögliche Motiv der Gewalttat wie über den Täter selbst, der von Besuchern der Veranstaltung überwältigt wurde, war am Samstag offiziell wenig bekannt. Er befindet sich in Untersuchungshaft und werde sich wegen versuchten Mordes und Körperverletzung gegenüber Gericht verantworten müssen, so der Bezirksstaatsanwalt von Chautauqua County, Jason Schmidt, am Samstag.
Sympathiebekundungen
Nach übereinstimmenden Medienberichten finden sich auf Konten von sozialen Medien, die Matar bespielte, Sympathie-Bekundungen für das iranische Regime, den von den USA hingerichteten ehemaligen Chef der iranischen Revolutionsgarden, Qassem Soleimani, und die schiitische Terror-Organisation Hisbollah im Libanon.
Matar ist amerikanischer Staatsbürger und lebte lange Zeit in Kalifornien. Seine Eltern waren laut Behörden vor rund 30 Jahren aus dem libanesischen Dorf Yaroun in die USA eingewandert. Matar besitzt laut Ermittlern eine gefälschte Fahrerlaubnis, die auf den Namen Hassan Mughniyah ausgestellt ist – eine Reminiszenz an den Hisbollah-Führer Imad Mughniyah, der 1994 einen Bombenanschlag auf die jüdische Gemeinde in Buenos Aires in Argentinien orchestriert haben und 2008 von israelischen Sicherheitskräften aus dem Verkehr gezogen worden sein soll.
Die Ermittlungen konzentrieren sich laut Polizei auf einen Rucksack und ein Mobiltelefon des Täters, der laut Augenzeugen "wie wild" auf Rushdie eingestochen hat. Selbst fünf Besucher des Vortrags hätten den bärtigen Mann mit dem kurz rasierten Kopf nur mit großer Mühe von seinem Opfer losreißen können.
Entsetzen – und Freude
Am Wochenende durchsuchten FBI-Beamte den südlich von New York City liegenden Wohnsitz Matars, dessen Tat weltweit Entsetzen und Bestürzung hervorrief – und zugleich offen zur Schau gestellte Genugtuung in radikal-islamistischen Kreisen.
"Mutig und couragiert" sei der Täter gewesen, Allah werden ihn preisen, heißt es in diversen Einträgen in den sozialen Medien. Vor allem auf Twitter konnten noch Hunderte ungehindert demonstrativ ihre Freude über den Mordversuch verbreiten, ohne dass der Kurzmitteilungsdienst die Konten gesperrt hätte. Eine iranische Zeitung, die unter der Kuratel von Irans geistlichem Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei steht, schrieb: "Lass uns die Hand desjenigen küssen, der den Hals eines Feindes Gottes mit dem Messer zerfetzte."