"D-Day": FDP hatte Strategiepapier für Ampel-Aus vorbereitet
Ein internes Strategiepapier der FDP-Spitze wirft ein neues Licht auf das Ende der Ampel-Koalition vor wenigen Wochen: Im achtseitigen Papier wurden verschiedene Szenarien, Zeitpunkte und Medienstrategien durchgespielt.
Zunächst zitierte das Portal Table.Briefings aus dem Papier, FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bestätigte daraufhin dessen Existenz. Mittlerweile hat die FDP das Dokument mit dem Titel "D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen", offensichtlich eine Powerpoint-Präsentation, selbst auf ihrer Website veröffentlicht. Damit wolle man Transparenz herstellen, heißt es.
"Der Stillstand der Ampel war längst zu einer Belastung für das Land geworden", sagte Djir-Sarai. "Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns selbst genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte."
Ziel: Neuwahlen
In dem Papier wird der Ausstieg "zu Beginn der KW 45" überlegt, die Kalenderwoche 45 begann am 4. November. Am 7. November kam es zum Koalitionsbruch. Dagegen habe laut Papier zwar der "ungewisse Ausgang der US-Wahl" gesprochen, schlussendlich hinderte diese Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht daran, FDP-Vizekanzler Christian Lindner als Finanzminister zu entlassen.
Das Papier enthält unter anderem Angaben zu einem "Kernnarrativ" ("Alles außer unentschieden – Richtungsentscheidung jetzt"), das nach einem Ausstieg "gesetzt" und "verbreitet" werden müsste. Die FDP argumentiert darin mit einer notwendigen "Richtungsentscheidung". Die Bundesregierung sei aufgrund ihrer ideologischen Gräben selbst "zum größten Standortrisiko" geworden. Und weiter: Der Stillstand könne nur durch Neuwahlen gelöst werden.
Die letzte Phase nennt die FDP "Beginn der offenen Feldschlacht": Da geht es vor allem um Pressearbeit, Vorbereitungen zum Start der Mitgliederkampagne "Partei ergreifen", Mitgliederkommunikation, etc.
Die FDP nennt das Dokument ein "Arbeitspapier", das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht wurde nun die letzte Version vom 5. November. Bereits nach dem Koalitionsbruch hat es Medienberichten gegeben, unter anderem in der Zeit und der Süddeutschen Zeitung, dass die FDP konkrete Vorbereitungen für den Ausstieg aus der Koalition mit SPD und Grünen getroffen hätte. Die FDP hatte diese Berichte nicht dementiert, aber betont, dass letztlich Kanzler Scholz mit der Entlassung Lindners den Bruch der Koalition herbeigeführt habe.
Heftige Kritik, auch aus eigener Partei
Die Kritik an dem Papier ist groß: "Die FDP organisiert eine 'Feldschlacht' gegen eine Regierung, der man selbst angehört", schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil im Onlinedienst X. "Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können." Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann übte ebenfalls Kritik: "Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen."
Auch eine der prominentesten FDP-Politikerinnen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, versuchte, sich zu distanzieren. "Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. "Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar." Dass man sich aber in einer Situation, wie man sie in der Regierung gehabt habe, mit Ausstiegsszenarien auseinandersetze, sei folgerichtig gewesen, nicht nur für die FDP. Bei dem entsprechenden Treffen sei sie aber nicht dabei gewesen.
Kritik gibt es auch am Begriff "D-Day". In einem Interview mit RTL/ntv hatte Generalsekretär Djir-Sarai am 18. November noch bestritten, dass es ein Papier mit dem Titel existiere. Aus dem Englischen kann D-Day mit "Tag X" übersetzt werden, gemeint ist damit "Tag der Entscheidung". Im Deutschen wird der englische Begriff aber vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus benutzt.
Rücktritt
Generalsekretär Djir-Sarai zog am Freitagmittag Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt an.Die Nachwuchsorganisation Junge Liberale hatte ihn kurz zuvor dazu aufgefordert, Djir-Sarai hatte das Amt seit April 2022 inne.