Meinung

Eine Ministerin wirbt fürs Tattoo-Stechen. Ist das echt noch normal?

Während das halbe Land diesen Sommer mit der Frage beschäftigt ist, ob die von der ÖVP ausgelöste Normalitätsdebatte jetzt „präfaschistoid“ (O-Ton Werner Kogler), „ein bösartiger Kampfbegriff“ (Schriftsteller Michael Köhlmeier) oder einfach ein „normales“ Vorgeplänkel für den Wahlkampf nächstes Jahr (bzw. eine Rechtfertigung der umstrittenen NÖ-Koalition) ist, setzt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler auf buchstäblich unauslöschliche Politik: Besucher beim Electric Love Festival vor sechs Wochen in Salzburg und zuletzt beim Frequency-Festival in St. Pölten bekamen ein Gratis-Klimaticket, wenn sie sich das Sujet des Klimatickets stechen ließen.

Sie selbst war nicht ganz so konsequent und zeigte sich auf Instagram mit einem abwaschbaren Sujet. Beworben wurde das Ganze mit dem Spruch „Diese Aktion geht unter der Haut“. Yes, indeed. Man stelle sich vor, so etwas wäre ÖVP oder FPÖ eingefallen. Man hätte zumindest über Körperverletzung bei Jugendlichen diskutiert, und es hätte womöglich völlig unpassende (historische) Vergleiche gegeben.

Finanziell war das ministerielle Angebot jedenfalls verlockend. Immerhin wurde das gestochene Klima-Branding mit 1095 Euro belohnt: So viel kostet das Klimaticket für ein Jahr. Neben dem Sujet des Klimatickets gab es für Festivalbesucher von der „One Mobility GmbH“, einer 100 Prozent im Staatseigentum stehenden Firma, die das Klimaticket in Österreich vertreibt, noch weitere Designs, die gratis gestochen wurden und alle mit Öffis und Klima zu tun haben. Wie viele solcherart verzierte Jugendliche werden sich in einigen Jahren dafür verfluchen und viel Geld, Schmerzen und Narben riskieren, um sich so etwas „Nachhaltiges"  wieder entfernen zu lassen? Tattoos sollten kein politischer Werbegag sein. Das geht ernsthaft unter die Haut und politisch ins Auge.

➤ Mehr lesen: Gratis-Klimaticket am Frequency-Festival für Klima-Tattoo

Alle Inhalte anzeigen