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Wiens Clubkultur im Fokus - Teil 2

Straub: Es wird zu viel diskutiert statt gearbeitet.

Marco Weise
über die Wiener Clubkultur und ihre Protagonisten

Die Reaktionen auf den letzten Blogeintrag waren beeindruckend – in jederlei Hinsicht. Während die eine Hälfte den darin zu lesenden Rundumschlag von Friedrich Plöckinger mit Zustimmung goutierte, fühlten sich andere verraten und reagierten mit deftigen Postings. Oft versteiften sich die Facebook-Kommentare zu diesem Blog auf die Frage, was denn nun eigentlich Underground bzw. Mainstream sei. Dieses scheinbar bei vielen schon abgelutschte Thema ("Underground vs Mainstream") aus der Schublade zu holen, war keineswegs meine Absicht. Und da muss man im Nachhinein auch selbstkritisch sein: Der Titel des Blogeintrags war irreführend. Entschuldigung!

Es ging eigentlich nur darum, einen Vertreter der Szene zu Wort kommen zu lassen - unkommentiert. Er sollte aus seiner Sicht die aktuelle Lage der Wiener Clubkultur beschreiben: Existiert in Wien eine lebendige und facettenreiche elektronische Musikszene? Was könnte bzw. sollte man besser machen? Laut Plöckinger läuft eben zurzeit einiges schief. Punkt. Diese Woche nimmt Philipp Straub, der das Booking-Unternehmen Titan führt, zum Vorwurf von Friedrich Plöckinger Stellung.

Fritz (Friedrich Plöckinger) ist ja der Meinung, dass Wien von deiner Bookingfirma Titan mit Mainstream Techno zugemüllt werde. Was sagst Du zu diesem Vorwurf?Philipp Straub: Fritz, den ich seit langem kenne und mit dem ich mich generell gut verstehe, wurde glaube ich nicht richtig verstanden. Ihm geht es vielmehr darum, dass es in Wien seiner Meinung nach keinen Club für 300 bis 500 Leute gibt, welcher versucht neue Trends zu setzen und dies authentisch umsetzt. Am einfachsten wäre es natürlich, so etwas selber zu machen, um dieses Vakuum zu füllen. Aber Anstelle dessen wird, wie in Wien üblich, gerne diskutiert, was für mich absolut kein Problem ist. Als reine Dienstleistungsfirma ist es meine kaufmännische Pflicht so viel Geschäft wie möglich und so gut wie möglich abzuwickeln. Ich habe kein Recht, Veranstaltern meinen Geschmack einzureden, da sie es sind, welche das Risiko tragen. Wir beraten und machen Vorschläge, aber die Entscheidung wird ausnahmslos dem Kunden überlassen. Als solches muss sich diese teilweise berechtigte Kritik an die Veranstalter richten. Sie ist bei uns gänzlich an der falschen Stelle. Noch dazu stoße ich mich ein wenig an der Bezeichnung "Mainstream Techno". Ist das nicht ein Widerspruch an sich? Ich finde wir buchen kaum mehr Techno-Künstler, da es dazu wenig Nachfrage gibt und Mainstream ist im Moment vieles. Unsere Erwartung an einen Künstler bzw. ein Produkt ist, dass die Nachfrage gegeben ist, welche wir auf- bzw. ausbauen können. Ob dies nun House, Techhouse, Techno, Pop oder ganz was anderes ist, ist Nebensache.

Wie würdest Du den derzeitigen Zustand der Wiener Clubkultur beschreiben? Meiner Meinung nach herrscht ein generelles Überangebot an Veranstaltungen im Wiener Club-Segment. Sowohl von der Anzahl, als auch vom Angebot - zu viele Veranstalter bedienen dasselbe Segment. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Grundsätzlich gibt es ein sehr gutes und breit gefächertes Angebot an Clubveranstaltungen in Wien.

Was hat sich in den letzten Jahren am stärksten verändert? Es kam eine vollkommen neue, frische und unvoreingenommene Generation an Clubbesuchern in das fortgehfreudige Alter, welche noch keine Historie mit elektronischer Musik hat, sondern diese neu kennenlernt. Dadurch ist die Erwartungshaltung und die Qualität der Musik generell ziemlich gesunken. Aber ich sehe das als natürlichen Prozess. Denn man entwickelt erst im Laufe der Zeit einen definierten Geschmack. Und der derzeitige Deep House-Trend ist mir persönlich 1000 Mal lieber als nervige EDM-Beats.

Veranstalter können sich internationale Acts kaum noch leisten. Die DJ-Gagen sind in den letzten Jahren durch die Decke gegangen, haben sich verdreifacht. Was ist der Grund für diesen Anstieg? Das sehe ich anders. Es gibt heutzutage eine Unmenge an jungen Acts, welche noch nicht erkannt haben, dass dies (auch) ein Geschäft ist und sich weit unter Wert verkaufen. So kann man als geschickter Veranstalter mit gutem Auge bzw. Ohr internationale Künstler buchen die teilweise unter 1.000 Euro Gage pro Auftritt bekommen, aber dennoch einen Club mit einigen hundert Leuten garantiert füllen. Man kann aber auch David Guetta für 500.000 Euro buchen, wenn dieser über 40.000 Tickets verkauft. Dann ist das, rein geschäftlich, auch zu vertreten.

Inwieweit ist Titan in die Wiener/österr. Clublandschaft involviert? Sind es tatsächlich nur Partys bzw. Bookings, oder bestehen auch Beteiligungen? Nach 20 Jahren sind wir stolz darauf gut vernetzt zu sein und über ein sehr breit gefächertes Netzwerk zu verfügen. Ich finde, diese Frage sind Interna, welche ich nicht in der Öffentlichkeit diskutieren möchte. Aber ich kann soviel sagen, dass wir uns seit längerem keinem Partner mehr anbiedern (müssen) und niemandem unsere Leistungen aufzwingen. Einerseits. Andererseits liegt unser Fokus seit einiger Zeit jenseits der nationalen Grenzen, da in Österreich eben einfach viel zu viel diskutiert statt gearbeitet wird.

Nun zu den Fortgehtipps

Extrawelt kommen mit ihrem atmosphärisch aufgeladenen TechHouse nach Wien. Anlässlich des zweiten Geburtstages der Meuterei gastieren die Hamburger in der Grellen Forelle.

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Die heimische Band Velojet wird im Radiokulturhaus ihre aktuelle und sehr gelungene Platte „Panorama“ live mit Freunden umsetzten. Beim ersten Gastspiel im altehrwürdigen Sendesaal begleitet sie der Cellist und Komponist Lukas Lauermann mit seinem ersten Solo-Programm. Start: 20.00 Uhr.

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Wooden Shjips werden hingegen im Chelsea die Gitarrensounds in endlose Feedback-Schleifen schicken. Das Quartett aus San Francisco ist für extrem lässig gespielten Psychedelik-Rock bekannt. Live wird dann gerne nach Verzerrer-Pedalen getreten und es sich irgendwo zwischen Lethargie und Explosion gemütlich gemacht. Groß!

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Das britische Duo Audiojack wird in der Pratersauna ihren treibenden Klickerdiklacker-TechHouse mit Betonung auf House – abliefern.

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Apropos House. Diesen bekommt man in all seinen Facetten auch im Fluc am Praterstern von Commandyoursoul und Stephan Hoellermann serviert. Oben. Unten, also in der Wanne, kann man auf Vollkontakt mit dem Bass gehen. Die Drums schauen auch vorbei. Das ergibt dann Drum & Bass, der an diesem Abend melodiös ausfällt, da DLR aus England vorbeischaut.

Im Werk wird es Female Pressure geben. Electric Indigo, die Gründerin der Plattform für weibliche DJs wird selbst hinter den Plattentellern stehen und Techno-Platten spielen. Die Chose läuft dann unter dem passenden Namen Maschinenraum.

Die Veranstaltungsreihe Wiener Endorphine gastiert im Wirr in der Burggasse. Zu den ohnehin schon lässigen Residents gesellt sich an diesem Abend noch Roman Rauch. Der House-Kenner und Produzent wird einige Schätze aus seiner Plattensammlung holen.

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Am Samstag gastiert im Celeste Salute. Na, klingelt's?! Genau. Die Rede ist vom jungen Wiener, der HipHop, R&B, Elektro und Pop kurzschließt und so für viele zum Newcomer 2013 aufgestiegen ist.

Im Brut schaut Dompteur Mooner vorbei. Der DJ und Entertainer mischt seit Jahren die Münchner Schickeria mit genial-bescheuerten Partys auf. Zwischen Disco-, Krautrock- und Space-Ausflügen wird er wohl auch in das Acid-Glas schauen. Das könnte lustig werden.

In der Grellen Forelle setzt man auf Frauenpower. Unter dem abendlichen Motto Wienerinnen werden Joyce Muniz, Veronika Amie und Misonica am Mainfloor für Stimmung sorgen. Die drei Damen vom Grill übernehmen dann die Kitchen. Harald Juhnke kann aber nicht mehr vorbeischauen.

Die Innsbrucker Xander & Niederreiter haben in Wien einen guten Spielplatz für sich und ihre Musik entdeckt. In unregelmäßigen Abständen laden sie zur Soundterasse in die Auslage. Gefeiert wird dieses Mal mit Wade. Der aus Spanien stammende DJ und Produzent gilt - laut Pressetext - als Liebkind von Szenegrößen wie Marco Carola, Luciano und Richie Hawtin. Na dann hören wir mal rein...

Ein Besuch bei der etwas anderen Buchmesse im Werk zahlt sich auf jeden Fall aus - auch wenn man keine Kinder hat. Geladen wird zum feinen Familienfest mit diversen Theateraufführungen für kleine und große Kinder. Es werden Geschichten erzählt, Musik gehört und gezaubert. Beginn ist um 14.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Im B72 kann man am Abend noch das Wochenende Revue passieren lassen und sich auf die bevorstehende Arbeitswoche mit einem Beruhigungsbier einstimmen. Chris Pureka aus Portland wird dazu mit Gitarrenbegleitung ihre Geschichten erzählen.

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Am Montagabend treffen sich Kleinkünstler zum gemeinsamen Blödeln. Erwarten darf man sich neben Gags, Gags, Gags auch Nörgeleien und unfreiwillige Kompromisse. Ein typischer Abend in der Kleinkunstszene mit hoffentlich vielen Highlights für das geneigte Publikum. Wo? Im Aera in der Gonzagagasse. Zu sehen sind 2gewinnt, Vinzent Binder, Rudi Schöller, Christoph Straka.

Wer Karten für das restlos ausverkaufte Moderat-Konzert in der Arena zu Wien hat, darf sich freuen. Der Rest muss warten, oder sich zuhause die neue Platte der Berliner Klangtüftler auflegen, die Augen schließen und sich nach Erdberg träumen.