Staatsbürgerschaft: "Es wird ihnen unendlich schwergemacht"
Von Naz Kücüktekin
„In der offenen Jugendarbeit bekommen wir mit, mit wie schwer es für junge Menschen ist, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen“, sagt Katharina Röggla, Obfrau vom Verein Bahnfrei.
Eigentlich interessiere man sich in der Jugendarbeit nicht unbedingt dafür, welchen Pass die Jugendlichen haben. „Aber wir beschäftigen uns regelmäßig mit Staatsbürgerschaften, weil in unserer Arbeit immer wieder klar wird, dass es eben nicht egal ist, welchen Pass jemand hat“, führt sie weiter aus.
Am 1. Jänner 2021 lebten insgesamt 1.531.072 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Österreich. Das entspricht einem Anteil von rund 17,1 % der Gesamtbevölkerung Österreichs. In Wien ist der Anteil nochmal deutlich höher. Anfang 2021 hatten 31,5 Prozent der Wienerinnen und Wiener eine ausländische Staatsbürgerschaft.
Der Verein Bahnfrei ist eine Anlaufstelle für Jugendliche im Stadtteil Neustammersdorf. Zielgruppe sind die ansässigen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 20 Jahren, unabhängig von ihrer Herkunft und Einstellung. Schwerpunkt der Arbeit ist die Mobile Jugendarbeit im Stadtteil.
Mehr zu Bahnfrei gibt es auch hier: https://bahnfrei.at/
Zu niedriges Einkommen
Einer von ihnen ist Boris. Er ist als Kleinkind mit seiner Großmutter aus Bulgarien nach Wien gekommen. Seine Mutter, die seit mehreren Jahren in Wien lebte, hatte einen neuen Mann geheiratet. Aufgrund von gewaltsamen Vorfällen wurde Boris aus seiner Familie genommen und ist in betreuten Wohngemeinschaften des Jugendamts aufgewachsen.
Weder das obsorgeberechtigte Jugendamt noch die Betreuer*innen in den Wohngemeinschaften und auch nicht die leibliche Mutter kümmerten sich darum, rechtzeitig vor Boris 18. Geburtstag einen Antrag auf Daueraufenthalt zu stellen. Mit der Volljährigkeit endete die Zuständigkeit des Jugendamts, mangels Familie oder anderer Unterstützung gab es auch keine Perspektiven.
An seinem 18. Geburtstag wurde Boris von einem Sozialarbeiter zu einer Wohnungsloseneinrichtung der Caritas begleitet und ist seither obdachlos. Aus dieser Situation heraus ist der Antrag auf die Staatsbürgerschaft chancenlos. Denn dafür braucht man einen festen Wohnsitz, einen Job und genügend Einkommen.
Am Geld scheitert es etwa auch bei Alemka. Sie ist in Wien geboren und hat einen serbischen Pass. Nachdem sie eine Lehre in der Gastronomie absolvierte, wurde sie vor zwei Jahren von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen. Trotz Vollzeitbeschäftigung reicht ihr Einkommen allerdings nicht aus, um die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Dafür braucht man nämlich nicht nur ein Gehalt, das dem Richtsatz (etwa 1.000€) entspricht, sondern muss darüber hinaus noch zusätzliches Einkommen für Miete, Kinder und andere Ausgaben nachweisen. Das kann die 22-Jährige nicht bieten.
Zu schlechtes Deutsch
Die Geschwister Fahad und Yara hingegen leiden unter den Lücken der Eltern. Die beiden sind im Irak geboren, leben aber schon seit sie zwei bzw. vier Jahre alt sind in Wien und besuchen ein Oberstufengymnasium. Über ihren Vater haben sie einen Konventionspass, sind also anerkannte Flüchtlinge. Die Familie versucht seit Jahren, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. In diesem Fall wäre das Einkommen ausreichend, es scheitert aber an den mangelnden Deutschkenntnissen der Eltern, die beide mehrmals den B1 Sprachtest nicht geschafft haben. Dass Fahad und Yara hervorragend Deutsch sprechen, ist für den Antrag als Familie nicht ausschlaggebend.
In anderen Fällen scheitert der Antrag an Strafverfügungen, wie zum Beispiel bei Toma. Der 23-Jährige hatte zweimal falsch geparkt. Bei den Vorzeigejugendlichen, denen, die gute Noten heimbringen, und vernünftige Pläne machen, sei es für viele noch leicht ihnen den österreichischen Pass zu wünschen. „Reden sollten wir aber auch von den anderen, denen ohne Lehrstelle, denen mit Vorstrafen und ohne Zukunftspläne. Weil es nämlich gerade bei ihnen nicht nur eine Frage der Parteilichkeit ist, sondern tatsächlich im Interesse von allen sein müsste, diese Kids besser zu integrieren“, betont Röggla.
Zu hohe Hürden
Für sie verdeutlichen diese Beispiele, mit denen die Jugendarbeit tagtäglich konfrontiert ist, wie hoch die Hürden für die österreichische Staatsbürgerschaft liegen. „Dass es jungen Menschen, die ihr ganzes oder den Großteil ihres Lebens in Wien verbracht haben und die sich hier zu Hause fühlen, unendlich schwergemacht wird, diese Zugehörigkeit auch offiziell zum Ausdruck zu bringen.