"Liebe, D-Mark und Tod": Von Gastarbeitern und vielem mehr
Von Naz Kücüktekin
"Sie riefen Arbeiter zu sich. Aber gekommen sind Menschen", heißt es an einer Stelle von "Liebe, D-Mark und Tod". Bunt, schrill, bewegend und unterhaltend zeigt die Filmdokumentation die Entwicklung einer Gastarbeiter-Kultur auf – und damit auch ein Abbild eines Landes und einer Politik.
Zu einer Zeit, in der Deutschland mit einem Mangel an Arbeitskräften kämpfte, verschaffte man sich billige Abhilfe aus dem Ausland. 1961 wurde das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei abgeschlossen. Rund 600.000 türkische "Gastarbeiter“ befanden sich bereits mit 1972 in Deutschland.
Über die Auswirkungen des Anwerbeabkommens wird bis heute diskutiert. Die Dokumentationen "Liebe, D-Mark und Tod“, befasst sich auch damit. Allerdings von einer Seite, der bisher wenig Beachtung geschenkt wurde. Nämlich der Musikszene, die sich, parallel und kaum beachtet zum deutschen Mainstream, mit den Gastarbeiter:innen entwickelte.
So sind die Lieder anfangs von Sehnsucht und Wehmut geprägt. Gemacht von Menschen, die voller Hoffnung nach Deutschland kommen, deren Leben von harter Arbeit, Ausbeutung und Ausgrenzung geprägt sind. Ohne Sprachkenntnisse und mit der Aussicht, dass sie hier nur für eine bestimmte Zeit bleiben werden, geht es in den Liedern dieser Zeit (Gürbetci Türküleri), oft um Heimweh, Liebe, Entfernung und die Schwierigkeiten in "Alamanya".
Seit 7. Oktober ist der Film auch in österreichischen Kinos zu sehen:
Goldene Zeiten
Während die Musik anfangs noch ein Nischenprodukt ist, entwickelt sich mit der Zeit ein - zumindest innerhalb der Gastarbeiter:innen - kommerzieller Markt dafür. Nostalgisch erinnern sich Künstler:innen an die "Goldenen Zeiten“ zurück.
Eine Zeit, in der Sängerin Yüksel Buyükkasp (Die Nachtigall von Köln) so viel Kassetten verkauft, dass sie mehrere Goldene Schallplatten bekommt. Eine Zeit, in der sich parallel zu Deutschland und zur Türkei eine ganze Musikindustrie entwickelt. "Wenn man es sich heute betrachtet, kann man eigentlich sagen, dass die Musik von Türkei-stämmigen in Deutschland, sich wie eine eigene Region der Türkei entwickelt hat", so Cem Kaya, Regisseur des Filmes.
So waren in Deutschland auch Sachen möglich, die in der Türkei vielleicht nicht machbar gewesen wären. Etwa das Duo "Derdiyoklar". Sie mischten alevitische Gedichte mit Elektroklängen, und waren damit vor allem auf Hochzeiten, die damals auch als sozialer und kultureller Treffpunkt innerhalb der Community fungierten, ein Dauerbrenner.
Rassismus als bindendes Glied
Doch irgendwann sind die goldenen Zeiten vorbei. Vor allem als die Stimmung gegenüber den Gastarbeitern beginnt zu kippen, als Deutschland merkt, dass sich die Menschen, die man sich einst als Arbeiter:innen hergeholt hat, sich hier auch ein Leben aufgebaut haben.
Die Gastarbeiterkinder bilden eine neue Generation. Und diese Generation ist wütend. Sie hat die Repression und die Ausgrenzung satt. Und all das kanalisiert sie mit einer neuen Art und Weise der Musik: dem Rap. Die Szene darum in Deutschland wird hauptsächlich von Gastarbeiterkindern vorangetrieben. Heute gilt Berlin auch als Geburtsstätte des türkischsprachigen Raps.
Es ist eine Konstante, die sich durch den Film und die Musikkultur zieht, dass die Musikkultur der Gastarbeiter innen auch auf die Türkei überschwappt. "Dadurch, dass man zum ersten Mal auch sieht, wie die Menschen, in Deutschland tatsächlich gelebt haben, erfreut sich `Liebe, D-Mark und Tod´ auch in der Türkei großer Beliebtheit", sagt Filmemacher Cem Kaya im KURIER-Gespräch. Zum ersten Mal sehe man, wie schwer es auch die Verwandten, die nach Deutschland gegangen sind, dort hatten.
"Was sich durch die ganze Musikkultur zieht, von den anfänglichen gürbet türküleri, bis hin zum Rap später, ist der Rassismus", sagt ein Künstler in der Filmdokumentation.
"Ich bin selbst in einer Zeit aufgewachsen, in der `Türken raus´ Graffitis überall waren", erzählt auch Kaya. Man hätte das Thema auch ernst und sehr traurig aufziehen können, sagt er. Doch ihm ist es in seiner Arbeit immer wichtig, dass man dabei auch unterhalten wird. "Bei den Protagonisten wäre es aber meist auch gar nicht anders gegangen."
Ein bitterer Beigeschmack bleibt während der ganzen 98 Minuten trotzdem. Auch die Frage, wie türkische Musikkultur in Deutschland heute stattfindet, ist omnipräsent. Kaya ist beim Beantworten zwiegespalten. "Natürlich sind türkischstämmige Künstler:innen heute präsent in den Charts. Es geht ja auch nicht mehr anders. Aber sie sind eben auch viel im Rap. In einer Gattung, die vom Gangster Klischee geprägt ist, wo es leichter ist, sie dort zu akzeptieren", sagt Kaya. Auch betont er, dass sich deutsche Medien noch immer sehr für wenig türkische Musik interessieren. "Ich war vor ein paar Jahren auf einem Tarkan-Konzert in Deutschland. Es waren 20.000 Besucher dort und kein einziges deutsches Medium hat darüber berichtet."