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Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund gehen seltener zum Arzt

"Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die gesundheitliche und soziale Lage von Kindern und Jugendlichen und deren Integration sich gegenseitig beeinflussen", sagt Maria Hofmarcher und fügt hinzu: "Und das sollte bei Initiativen und Maßnahmen zur Integration stärker miteinbezogen werden".

Die Expertin für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik wurde vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) beauftragt, eine Studie zu machen, die die Lebenslagen und den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft analysiert.

Vergleichende Analysen

"Migration in Österreich: Gesundheitliche und ökonomische Aspekte II - Kinder und Jugendliche in Österreich" wurde nun im Rahmen des 4. Österreichischen Integrationsgipfels präsentiert. Der Forschungsbericht umfasst auch vergleichende Analysen der ökonomischen und sozialen Bedingungen, der Lebensqualität, der Risikofaktoren, der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens und den damit in Zusammenhang stehenden Kosten für die Bevölkerung Österreichs. 

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Sind Kinder aus wohlhabenderem Elternhaus tatsächlich gesünder?

Zielgruppe waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen: kein Migrationshintergrund, EU-15 & EFTA (ohne Österreich), EU-13, Ex-Jugoslawien, Türkei, Afghanistan/Irak/Syrien und andere Länder. Die Studie ergab, dass die soziale Lage ein wesentlicher Faktor für die Gesundheit der unter 18-Jährigen ist.

Demnach hatten im Zuge dieser Studie befragten Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit hohem Einkommen einen signifikant besseren Gesundheitszustand als jene aus Haushalten mit niedrigem Einkommen. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund berichteten auch seltener über einen sehr guten Gesundheitszustand.

83 Prozent bewerten positiv

Im Jahr 2019 lebten 22 Prozent von ihnen in Haushalten mit überdurchschnittlichem Einkommen. Bei Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund waren es im Schnitt 39 Prozent. Dort, wo das Einkommen hoch war, war in der Regel auch der Anteil an Kindern und Jugendlichen hoch, die angaben, dass ihr Gesundheitszustand sehr gut ist.

83 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bewerteten ihre körperliche Gesundheit positiv. Über diesem Schnitt lagen die Gruppen ohne Migrationshintergrund und Türkei (je 85%), die Länder des ehemaligen Jugoslawiens (84%) und die Gruppe Afghanistan, Iran und Syrien (92%). Die psychische Lebensqualität bewerteten die Kinder und Jugendlichen mit 86 Prozent als gut.

Die Gruppe ohne Migrationshintergrund bewertete ihre psychische Lebensqualität mit 89 Prozent am besten, Kinder und Jugendliche aus Afghanistan, Irak und Syrien am schlechtesten (82%).

Gesundheitssystem: Inanspruchnahme und Zugang

Ähnlich wie bei der Gesamtbevölkerung ist auch der Ausgabenanteil der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund geringer als ihr Bevölkerungsanteil: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund machten 26,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung 2019 aus, auf sie entfielen jedoch nur 25,1 Prozent der Ausgaben für ambulante und stationäre Versorgung.

Auffällig ist, dass männliche Kinder und Jugendliche das Gesundheitssystem häufiger in Anspruch nehmen: Die pro-Kopf-Kosten in allen Herkunftslandgruppen und in allen Versorgungssettings für Burschen und junge Männer lagen höher als die für Mädchen und junge Frauen.

Gesundheitszustand leidet

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, insbesondere unbegleitete Minderjährige, sind mit besonderen Herausforderungen beim Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten konfrontiert. So tragen mangelndes Wissen über das Gesundheitssystem und die zur Verfügung stehenden Leistungen, Sprach- und kulturelle Barrieren sowie Missverständnisse dazu bei, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund weniger medizinische Leistungen in Anspruch nehmen und dadurch auch ihr Gesundheitszustand leidet.

Die Studienautor:innen plädieren etwa dafür, die Gesundheitskompetenz von Migrantinnen gezielt zu fördern, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu stärken. "Auf diese Weise muss verhindert werden, dass es zu 'Vererbungen' dieser negativen Faktoren kommt - eine Problematik, die Menschen mit Migrationshintergrund bis heute betrifft".