Erdogan über Protest-Teilnehmer: "Das sind Flittchen"
"Die sind verdorben. Das sind Flittchen", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch bei seiner Rede zum neunten Jahrestag der regierungskritischen Proteste (Gezi Proteste). Erdoğan bezog sich mit der Aussage darauf, dass die Protestierenden, die er auch als Terroristen bezeichnet, angeblich Moscheen besetzt und darin Bier getrunken hätten. Besonders der Flittchen-Sager sorgte für viel Kritik. Erdogan ist deshalb nun mehrfach angezeigt worden
Strafanzeigen gegen den Präsidenten
Die Politiker der oppositionellen CHP, der Arbeiterpartei (TIP), der HKP und Frauenrechtsorganisationen reichten unter anderen Strafanzeigen gegen den Präsidenten ein, wie sie jeweils auf Twitter mitteilten. Der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu riet Erdogan, künftig lieber den Mund zu halten und erhielt dafür etwa Zustimmung von dem berühmten türkischen Pianisten Fazil Say.
Auch die bekannte Autorin Elif Safak empörte sich via Twitter über "diskriminierende Sprache". Ein Vorstandsmitglied der RTÜK, der Regulierungsbehörde für den privaten Rundfunk in der Türkei, kündigte zudem an, dass alle Sender, die die Ansprache live übertrügen, auch untersucht werden müssten. "In einem Rechtsstaat ist es moralisch und rechtlich unmöglich, eine andere Person oder Personen, aus welchem Grund und in welcher Position auch immer, zu beschimpfen oder zu beleidigen. Es ist inakzeptabel, diese Ausdrücke in Live-Übertragungen zu Millionen von Bürgern zu verwenden', so İlhan Taşcı.
Zuspruch von der eigenen Partei
Erdoğans Parteikollegen der AKP stehen hinter ihm." Wenn sie sich angesprochen fühlen, hat er wohl die richtigen getroffen", schreib etwa Ömer Faruk Övenç, Medienkoordinator der AKP İstanbul. Andere Parteikollegen bedankten sich beim Präsidenten für die Aussagen. "Hat er schön gesagt", findet AKP-Mitglied Emre Cemil Ayvalı.
Gezi Proteste und ihre Auswirkungen bis heute
Ende Mai 2013 begannen die Gezi-Proteste am Taksim-Platz in istanbul. Sie richteten sich ursprünglich gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Areal des Gezi-Parks am Taksim. Die Demonstrationen weiteten sich zu landesweiten Protesten gegen Erdoğan und die regierende islamisch-konservative AKP aus. Die Regierung ließ die Proteste brutal niederschlagen.
Zahlreiche Menschen sitzen wegen der Teilnahme an den Protesten in türkischen Gefängnissen. Bei Demonstrationen zum Jahrestag der Proteste wurden am Dienstagabend zahlreiche Menschen festgenommen. Allein in Istanbul seien 169 Menschen von der Polizei in Gewahrsam genommen worden, sagte die Anwältin Ezgi Önalan der Deutschen Presse-Agentur.