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Bosnier und Serben sehen in Schallenberg einen Freund des Balkans

Kurz vor 20 Uhr läuteten die "Breaking News"-Glocken der kroatischen Nachrichten-Apps. Neben der Aussagen von der Pressekonferenz am Samstagabend waren auch die Reaktionen der Opposition Thema in den kroatischen Medien. Auch die Rede des Bundespräsidenten Van der Bellen wurde in voller Länge übersetzt und in den sozialen Netzwerken oft und gerne geteilt.

Die Tageszeitung Jutarnji list beschreibt die vergangenen Tage in Österreich als "Kurz' House of Cards": "Er war Europas Wunderkind, jetzt wird er zum Mini-Diktator", titelt die Zeitung. "Ist das österreichische Wunderkind zurückgetreten - um zu bleiben?", fragt sich der öffentlich-rechtliche Sender HRT: "Kurz ist gerade 35 Jahre alt geworden und ist bereits zweimal vorzeitig zurückgetreten".

Die Boulevardzeitung 24sata meldete sich sogar live vom Wiener Ballhausplatz. Sie titelte in einer Paywall-Geschichte: "Alle Kurz-Affären: Seine Regierung wurde durch geheime Aufnahmen mit einer Russin gestürzt. Jetzt ist er selber das Problem". Er wurde oft als "der vielversprechende Junge" genannt.

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"Euer Wohlergehen ist auch unser Wohlergehen"

"Wer ist Alexander Schallenberg? Der neue österreichische Bundeskanzler, der sagte, dass er Bosnien-Herzegowina nicht im Stich lassen werde". So titelt das populärste bosnische Portal Klix.ba seine Porträtgeschichte über den Kurz-Nachfolger. 

Das Portal erinnert darin an das im Mai abgehaltene Treffen des damaligen Außenministers mit seiner bosnischen Kollegin Bisera Turković, bei dem er ihr 10.500 Dosen des Pfizer-Impfstoffs überreichte. Schallenberg tat dies im Namen der Europäischen Union, die eigentlich der Spender war. "Euer Wohlergehen ist auch unser Wohlergehen. In Österreich leben mehr als 200.000 Menschen, die familiäre Bindungen zu Bosnien-Herzegowina haben. Wir können nicht sicher sein, bis es alle in unserer Umgebung auch sind", sagte der 52-Jährige bei diesem Anlass. 

 

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Ein Versprechen

Schallenberg dürfte es den Bosniern vor allem mit einer Botschaft angetan haben. "Wir werden euch nicht im Stich lassen", betonte er bei dem Besuch in Sarajevo. Die EU werde Bosnien-Herzegowina immer helfen und dafür sorgen, dass die Souveränität und Integrität des Landes gewährt wird. Österreich engagiere sich hartnäckig für den Westbalkan und die Erweiterung der EU, fügte er damals hinzu. 

Auch der regionale Nachrichtensender Al Jazeera Balkans glaubt daran, dass sich Schallenberg in seiner neuen Rolle weiterhin für die EU-Erweiterung einsetzen wird, "jedoch mit Nachdruck auf die Erfüllung der Auflagen auf beiden Seiten". 

"Dieser Diplomat hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt, obwohl er dies, wie er immer wieder sagte, nicht wollte. Bisher hat sich Schallenberg nicht viel mit Tagespolitik beschäftigt, aber mehrfach gezeigt, dass er in der Politik gegenüber illegalen Migranten zu den ganz Konservativen gehört", schreibt Al Jazeera Balkans

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"Upgrade" zu Kurz

Serbiens staatliche Nachrichten- und Presseagentur Tanjug berichtet auch über den unerwarteten Werdegang des neuen Kanzlers. "Schallenberg hat in seinem Lebensplan die Position des Chefdiplomaten bestimmt nicht vorgesehen. Ganz bestimmt hätte er sich nie träumen lassen, dass er eines Tages Kanzler wird", schreibt Tanjug.

Für die serbischen Medien ist Schallenbergs Einstellung gegenüber dem Kosovo ein wichtiger Aspekt. So erinnert das Portal Telegraf an sein Meeting mit dem serbischen Außenminister Nikola Selaković von Mitte Juli. In diesem sagte er, dass die Europäische Union ohne den Westbalkan nicht vollständig und dass er sei mit dem Tempo der EU-Integration nicht zufrieden sei.

Schallenberg unterstrich die Bedeutung des Abkommens zwischen Serbien und dem Kosovo. Dieses sei aus seiner Sicht wesentlich für den EU-Beitritt Serbiens. Die Unabhängigkeit des Kosovo sollte laut ihm von allen in der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. Gleichzeitig lehnte Schallenberg die Idee ab, die Grenzen in der Balkan-Region neu zu ziehen.

Večernje novosti sehen in Schallenberg ein "Upgrade" zu Kurz - zumindest, wenn es um die EU-Perspektive Serbiens geht. "Als Minister setzte er sich mit großem Engagement dafür ein, dass Serbien so schnell wie möglich EU-Mitglied wird und behauptete, dass alle Voraussetzungen für einen schnelleren Weg Serbiens nach Europa gegeben seien. Er hat diese Balkan-Agenda noch mehr vorangetrieben als Kurz selbst", schreibt die serbische Tageszeitung.