Leben/Reise

Kreuzfahrt ganz anders: Mit dem Segelschiff über die Liparischen Inseln

Ruhe. Unendliche Ruhe. Kein schrill-ausgelassenes Kreischen von einer bunten Wasserrutsche her. Kein post-jugendliches Gegröle von geselligen Frühstücksbiertrinkern. Keine Hinter- oder Vordergrundmusik aus Lautsprechern an jeder Ecke. Und keine lautstark frequentierten Stahlseilrutschen quer übers Deck. Nur Ruhe. Sonne. Ein leichter Wind. Ein paar Liegen. Das Rauschen des Meeres, wenn der Bug des Schiffes durch die Wellen schneidet. – Und das auf einem Kreuzfahrtschiff!

Obwohl: Das mit dem Kreuzfahrtschiff stimmt so nicht ganz.

Alle Inhalte anzeigen

Nein, fangen wir anders an: Was macht man, wenn man Kreuzfahrten auf diesen Riesenpötten mit 5.000, 6.000 und zuletzt 7.600 Passagieren gar nicht aushält; wenn man aber die Weite des Meeres und vor allem das Segeln auf hoher See liebt; und wenn man die Gelegenheit erhält, auf einem edlen Viermaster mit gerade einmal 130 anderen Seetüchtigen durch das Mittelmeer zu kreuzen? Dann schlägt das Herz höher.

Und es schlägt zu Recht. Die Star Flyer – das Schiff ist andersrum gender-resistent und daher immer noch weiblich – ist ein 115 Meter langer Clipper, der den schnellsten Seglern nachgebaut ist, die im vorvergangenen Jahrhundert den Welthandel belebten.

Alle Inhalte anzeigen

Richtung Sizilien

Es hat 83 überraschend geräumige Kabinen mit Bad, ein Restaurant, eine Tropical Bar an Deck und eine kleine Piano-Bar indoor, alles sehr gediegen und dennoch nicht übertrieben – und vor allem viel (Teak-)Holz und viel Seil und Taue, Klampen und Winschen an Deck. Denn wenn die „volle Wäsch’“ draußen ist, wie der Segler sagt, dann blähen sich sechzehn Segel mit einer Fläche von 3.365 Quadratmetern im Wind. Jedes hat einen Namen und es ist nahezu unmöglich, sich die alle vom Vorstengestagsegel und Innenklüver bis zum Kreuzfischermann und Besan im Laufe einer einwöchigen Reise merken zu wollen.

Die Route

Die Reise beginnt in Civitavecchia, der Hafenstadt vor Rom, und führt über die Liparischen Inseln nach Sizilien. Später geht es über Sorrent und Amalfi an der Festlandküste wieder zurück nach Rom. Und schnell wird einer der vielen Vorteile der Star Flyer klar: Sie kann zufahren und ankern, wo die großen Pötte nicht hinkommen. Doch dazu später.

Alle Inhalte anzeigen

Kontakt mit der Crew

Und die anderen Vorteile? „Es ist einfach intimer als auf den Riesenschuhschachteln, wo nur wichtig ist, dass alles größer und größer und mehr und mehr wird“, sagt Dominique Rollin. Der 62-jährige Belgier ist seit fünfundzwanzig Jahren bei Star Clippers, dem Unternehmen, das neben diesem Schiff noch die baugleiche Star Clipper und den zwanzig Meter längeren Fünf-Master Royal Clipper auf See hat, das größte Segelschiff der Welt. Davor fuhr er auf Frachtschiffen zur See, seit fünf Jahren ist er hier Kapitän. „Hier hast du Kontakt mit der Crew, die über Jahre immer wieder fast dieselbe ist (vierundsiebzig Mann und Frau aus aller Welt) und mit den Passagieren“, sagt Rollin – und es klingt glaubwürdig, wenn er sagt, dass es ihn nicht nervt, permanent angesprochen und nach etwas gefragt zu werden – und sei es nur nach einem gemeinsamen Foto.

Denn das ist auch so ein Unterschied zu den Großen: Die Gäste des Schiffs können immer nahezu überall hin, auch auf die Brücke, die auf der Star Flyer eher einem Unterstand gleicht. Und wenn die Crew mit den Seilen und Winschen beschäftigt ist oder vor der „Tropical Bar“ auf einer Riesen-Nähmaschine ein Segel geflickt wird, werden die Passagiere nicht verscheucht, im Gegenteil.

Der Grundzustand an Bord ist: entspannt. Der erste Tag unter Segeln – ja, die Star Flyer fährt bei schwachem Wind zwar mit Motor, aber unterstützt vom Wind in den Segeln – ist ein Tag auf See und wird entspannt an Deck verbracht. Die blauen Plastikliegen sind zwar irgendwann belegt, aber dann auch wieder frei, und man hat keinen Moment das Gefühl, mit 130 anderen Passagieren an Bord zu sein (168 ist die Maximalbelegung). Wer mag, kann sich ins große Netz am Bug legen, in den blauen Himmel und die geblähten Segel schauen und die Wellen unter sich vorbeiziehen lassen. Oder in einen der beiden kleinen Meerwasser-Pools an Deck hüpfen.

Blick ins Innere

Alle Inhalte anzeigen

Das Entspannte setzt sich bei den Mahlzeiten fort: Keine Restaurants in Hülle und Fülle, in denen sich die Buffets von früh bis spät unter der Last des Überflusses biegen – es gibt zwar ein Early Bird Breakfast für Frühaufsteher mit Kaffee, Tee, Säften und frischem Gebäck und einen kleinen Nachmittags- und einen kleinen Midnight Snack an Deck; aber sonst: Frühstück mit einladendem, ausreichendem aber unpompösem Buffet im Restaurant; Mittagessen detto; und abends speist man à la carte. Alles zivilisiert, alles weit entfernt vom All-you-can-eat-Schaufeln anderswo. Und auch hier sind die 130 Gäste gefühlt keine achtzig – übrigens ist der Dresscode an Bord leger bis sportlich-elegant.

Bei aller Entspanntheit: Es gibt auch Unterhaltung und Programm, wir sind ein Kreuzfahrtschiff, hallo?! Tagsüber, wenn die Star Flyer irgendwo ankert, wird zu Wassersport von Paddeln bis Wasserski geladen; manche Touren haben eine Yoga-Instruktorin an Bord, die zweimal am Tag zum Vierfüßler oder Herabschauenden Hund aufs Achterdeck bittet; und Wagemutige können über die Strickleiter in den Ausguck klettern. Und dann dürfen die Passagiere selbst einmal Segel setzen, eines zumindest, dessen Motor ausgeschaltet wird – denn sonst geht hier alles automatisch, braucht aber dennoch die vielen Handgriffe der Crew.

Alle Inhalte anzeigen

Windstärke acht

In der Karibik, wo die zu Beginn der 1990er-Jahre gebauten eleganten Clipper in den Wintermonaten unterwegs sind, steht der Wind im Schnitt fester in den Segeln als im Mittelmeer, das in den Sommermonaten befahren wird, erzählt der Kapitän, obwohl: „In der Woche vor unserer Fahrt jetzt hatten wir vor Korsika Windstärke acht, keine Chance, in Bonifacio anzulegen, aber der Wind kam von achtern, und da geht’s dann ordentlich dahin.“ Auch wenn die Schiffe vom Mittelmeer in die Karibik übersetzen oder retour, auch diese Passagen sind buchbar, kann der Wind kräftig blasen. Neunzehn Knoten macht die Star Flyer, wenn der Wind voll in den Segeln steht.

Zurück zur Unterhaltung: Jerby aus Thailand bearbeitet ab spätnachmittags den weißen Flügel am Abgang zum Restaurant oder entlockt vor der Tropical Bar an Deck einem abenteuerlichen Keyboard die wildesten Töne der „Bohemian Rhapsody“ oder alter Schlager und nicht ganz so alter Hits. Und nach dem Dinner gibt’s eine Stunde Modeschau oder Schatzsuche oder Musikquiz und Tanz unter Sternen auf dem kleinen Deck vor der Bar – Carlos, eigentlich Cruise Director, moderiert dreisprachig und unermüdlich mit dem rüstigen Schmäh des Südländers, und alles ist weniger Broadway-Glanz und teurer Show-Act, als ein bisschen sehr sympathisch handgestrickt.

  • Die Schiffe: Segeltörns werden mit zwei baugleichen Viermastern, „Star Flyer“, „Star Clipper“ (je 166 Passagiere), und dem Fünfmaster „Royal Clipper“ 
    (227 Passagiere) angeboten
  • Kreuzfahrten: Törns mit drei bis vierzehn Nächten  im östlichen und westlichen Mittelmeer (April bis November) und in Costa Rica und der Karibik (November bis April). Atlantiküberquerungen  zwischen den Saisonen. Alle Routen für alle drei Schiffe hier
  • Karibik-Angebot: „Star Flyer – Schatzinseln der Karibik“: Flug ab/bis Wien, Kreuzfahrt mit Star Flyer inkl. Vollpension und vier Nächte Baden mit all-inclusive & Bordguthaben in Höhe von bis zu 100 € p. P. Preise je nach Kabinengröße ab 4.199 € p. P. inkl. Flug. 
    anfragen@meinekreuzfahrt.at, Tel.: +43 1 388 99 90, meinekreuzfahrt.com

Gänsehaut am Vulkan

Es gibt auch Landausflüge wie bei einem richtigen Kreuzfahrtschiff, natürlich – und in der Bucht von Lipari zeigt sich der erwähnte weitere Vorteil des Clippers: Er kann hier ankern, die großen Schiffe kommen gar nicht hierher. Und damit auch nicht Tausende Kreuzfahrer, die auf einmal durch die engen Gassen des kleinen Hafenortes strömen würden (in Taormina oder Amalfi ist das schon wieder anders). Einen halben Tag ist hier Zeit, um eine Inselrundfahrt zu unternehmen, oder einfach unter den Zitronenbäumen abzuhängen, ehe sich die Star Flyer am späten Abend aufmacht, nahe an den Stromboli-Vulkan zu fahren – das Feuerspeien vom Deck aus in stockdunkler Nacht unter ausladendem Sternenzelt zu beobachten, Erde, Feuer, Wasser, Luft, die Urelemente in einem, macht Gänsehaut.

Apropos: Wenn die Star Flyer ablegt und der Wind günstig steht, werden die Segel gesetzt – die Prozedur erfolgt zu den Klängen von Vangelis’ „Conquest of Paradise“ (aus dem Lautsprecher, diesmal doch), ein Segel nach dem anderen wird wie von Geisterhand (in Wirklichkeit vom Motor) hochgezogen, während die Crew die Taue versorgt und sich das Schiff langsam in Bewegung setzt, auf zum nächsten Schlag – mehr Gänsehaut und Freude geht nicht.