Leben/Reise

Island: Was Pferde und Knoblauch gemeinsam haben

Die Pferde scharren unruhig mit den Hufen. Die Reiter tauschen aufgeregte und etwas unsichere Blicke aus. Die Pferde wissen genau, was gleich passiert, die Reiter haben zumindest eine Ahnung. Der Himmel ist grau, die Temperaturen um die neun Grad, und das im Juni. Ein beispielhafter Tag für den Sommer in Island. Eine Stunde zuvor: Hörður Bender begrüßt die Gäste auf seiner Farm Efri-Úlfsstaðir mit einem warmen Lachen und einem festen Händedruck. Ein löchriger Strickpullover und ein schicker schwarzer Hut kleiden ihn. „Den Pullover hat meine Frau gestrickt, den ziehe ich an, bis er auseinanderfällt“, sagt er entschuldigend für das nicht ganz makellose Oberteil.

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Der Farmer, der sich selbst auch Mr. Iceland nennt, hat seine Gäste in einer Sitzecke im Stall versammelt, Kaffee verteilt und klärt kurz und knapp auf, was sie heute erwartet: „Wir werden mit einer Herde Islandpferde reiten. Das wird aufregend, ein bisschen chaotisch und ihr werdet viel Spaß haben.“ Später wird er noch ergänzen, dass es auch Mut für den Ritt braucht und eine Runde Brennivín, isländischen Schnaps, verteilen. Dann wird es ernst: Die Islandpferde werden direkt an der Weide gesattelt, kaum sind die Reiter aufgestiegen, preschen sie los. Im schnellen Tölt, der berühmten fünften Gangart der reinrassigen und robusten Tiere, geht es durch Wassergräben und Feldwege bis zum schwarzen Sandstrand im Süden Islands.

Die Dünen ziehen vorbei und im Hintergrund regt sich was: Die Herde naht. Und plötzlich sind sie alle vereint. Die reiterlosen Pferde ziehen an der Gruppe vorbei, mischen sich drunter, wälzen sich im Sand und genießen das freie Rennen am Strand. Die Reiter schauen sich abwechselnd an, sind voller Adrenalin und können nicht glauben, was sie hier gerade erleben.

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Hörður Bender bietet diesen Herdenritt und weitere Abenteuer mit Islandpferden für Touristen an. Seine Farm liegt abseits der Ringstraße in Hvolsvöllur, im Süden der Insel, und dient noch einem anderen Zweck: „Ich bin der erste und derzeit einzige Knoblauchbauer in Island“, berichtet er stolz. Doch die richtige Sorte hat er noch nicht gefunden. Denn Gemüseanbau bei den rauen Bedingungen in Island ist alles andere als einfach. Trotzdem findet Bender, dass viel mehr angebaut werden könnte, die Menschen wollen nur nicht. Zwar gibt es ein paar Gewächshäuser mit Tomaten und Gurken. Doch diese gibt es nur an Orten, die Zugang zur unterirdischen geothermischen Energie haben. Hörðurs Farm hat das nicht, sein Knoblauch muss es so schaffen.

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Neben Knoblauch und Karotten pflanzt er auch Bäume an, erzählt er. In Island gibt es kaum Waldflächen, gerade mal zwei Prozent machen sie auf der Insel aus. Aufzeichnungen und Analysen alter Dokumente lassen vermuten, dass es vor der Besiedlung mal 40 Prozent waren. Zum einen nutzten die Siedler das Holz schneller, als es nachwachsen konnte und zum anderen trägt auch die Tierhaltung nicht gerade zur Aufforstung bei. Wer in Island mit dem Auto unterwegs ist, wird regelmäßig Vollbremsungen hinlegen müssen, weil Schafe die Straße queren oder es sich direkt am Straßenrand gemütlich gemacht haben. Die Tiere knabbern Setzlinge ab oder zertrampeln sie.

Der Farmer sieht in der Wiederaufforstung nur Vorteile, sie sind vor allem ein guter Windschutz für seine Felder. Deshalb hat er in den letzten sieben Jahren ganze 60.000 Weidenbäume gepflanzt – mit der Hand. „Es sind nicht die schönsten Bäume, sie werden auch nicht sehr alt, aber sie wachsen schnell und bereiten den Boden gut für die nächsten Bäume vor“, sagt er. Neben der Baumreihe staksen immer mal wieder ein paar dicke Halme aus der Erde hervor. „Das ist der Knoblauch“, sagt Hörður mit einem Lächeln. Er weiß, dass das Feld nicht nach dem großen Erfolg aussieht. Doch er gibt sich selbst die Zeit. Zeit, die richtige Knoblauchsorte zu finden und den Ertrag zu vergrößern. Neulich hat er einen Tipp aus Neufundland bekommen, die Sorte werde er bald ausprobieren, sagt er. Die Suche nach dem perfekten Knoblauch für Island kann dauern, immerhin gibt es laut Hörður rund 600 Sorten.

Zwei bis drei Hektar Feldfläche ist für seinen Knoblauch reserviert. „Im letzten Jahr hatten wir einen Ertrag von etwa 30 Prozent, dieses Jahr schaffen wir vielleicht 40.“ Das Ziel sind 70 bis 80 Prozent. In fünf Jahren will er das schaffen. Um diese Herausforderung trotz der niedrigen Erträge finanzieren zu können, hat er begonnen, die Ausritte für Touristen anzubieten. Keine Neuheit in Island. Seit dem Ausbruch des inzwischen weltberühmten Vulkans – jetzt alle gemeinsam – Eyjafjallajökull wird Island von Touristen überrannt. „Vorher gab es hier keine touristische Infrastruktur, keine Hotels und unzählige Tankstellen am Straßenrand“, erinnert sich der Farmer.

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Und heute? Heute ist die Auswahl an geführten Ausritten und anderen touristischen Aktionen riesig. Wie fühlt sich das an für die Menschen, die vorher eher abgeschieden und für sich gelebt haben? „Der Tourismus hat Island gerettet, aber nicht alle sind damit glücklich“, weiß Hörður und erzählt: „Meine Nachbarn kommen nicht und gratulieren mir, wenn ich eine Auszeichnung für meine Angebote erhalte. Viele interessieren sich auch nicht für die isländische Vergangenheit, die Wikinger-Kultur. Sie locken die Touristen zwar an und wollen damit Geld verdienen, aber eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben.“

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Hörður geht die ganze Sache etwas anders an. Wenn jemand einen Ausritt bei ihm buchen möchte, muss er zunächst tief in die Tasche greifen, unter 200 Euro gibt es hier nichts. Darin inbegriffen ist allerdings nach einer entspannten Begrüßung und Einführung auch eine Reitstunde, bei der Hörður seinen Gästen die Pferde näherbringt und ihnen Tipps für den Umgang gibt. „Ich möchte nicht nur, dass meine Gäste eine gute Zeit haben, auch die Pferde sollen gut behandelt werden“, sagt er. Während auf anderen Höfen die Pferde schon gesattelt bereitstehen, wenn die Touristen gerade ihr Auto auf dem Hof parken, sollte auf der Farm von Hörður mehr Zeit eingeplant werden. Nach dem Ausritt gibt es nämlich noch Essen. Entweder vom Grill oder aus dem Ofen wird das für Island typische Lamm serviert, in einem kuschelig warmen Raum sitzen die Gäste auf mit Fellen ausgelegten Bänken an einer langen Tafel und können sich noch über das Erlebte austauschen.

Der Farmer hört gern die Geschichten seiner Besucher, hat aber auch selbst eine bewegte Zeit hinter sich. Als erfolgreicher Bänker lebte er lange Zeit in den USA, in Deutschland und in Schweden, bevor er mit seiner Familie 2010 zurück nach Island kam. „Ich war gerade 50 Jahre alt geworden und wollte was Neues anfangen“, erinnert er sich. Keine Meetings mehr, kein Anzug mehr und kein Jetten um die Welt. Eine Farm und Pferde sollten es sein. Dabei hat er selbst gar nicht so viel Erfahrung mit Pferden gehabt, mit dem Anbau von Gemüse erst recht nicht. 23 Jahre lang war das Finanzwesen sein Zuhause. Ausgerechnet dann, als Island von der Finanzkrise erschüttert wurde, kehrte er dieser Welt den Rücken und kaufte die Farm. „Es war eine gute Zeit dafür“, sagt er schmunzelnd.

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Sein Vorhaben mit dem Land hat er sich auf eine besondere Art und Weise absegnen lassen. „Ich spazierte über mein frisch erworbenes Land, bis ich plötzlich ein Klopfen hörte“, erzählt er. Es sei ein ganz seltsames Gefühl gewesen und das Klopfen sei aus dem Boden gekommen. Hörður begann, laut davon zu erzählen, was er mit dem Land vorhabe und als er fertig war, hörte das Klopfen auf. „Ich erzählte meinem Nachbarn davon und der winkte nur ab mit den Worten „Kein Wunder, das hier ist Elfengebiet“. Seine Pläne schienen für die Elfen in Ordnung gewesen zu sein, denn das Klopfen begegnete ihm nie wieder. „Man kann daran glauben oder nicht, aber für mich war das eine wahrhafte Erfahrung“, sagt er.

Wer in Island unterwegs ist, wird feststellen, dass die Sagen um Elfen, Kobolde und Trolle nicht groß touristisch vermarktet werden. Es stehen nicht an jeder Ecke kleine Elfenhäuschen und in den Souvenirshops haben eher die Papageientaucher und Lavasalze das Sagen. Für viele Isländer ist die Existenz des Huldufólk, das verborgene Volk, unbestritten. Der Sage nach sind die Wesen nicht für den Menschen sichtbar, außer sie wollen sich zeigen. Sichtbar oder nicht, in Island wird dem Huldufólk respektvoll begegnet. So werden die „Places of Natural Spirits“ beispielsweise bei Bauvorhaben berücksichtigt und in Ruhe gelassen.

Anreise
Direktflüge Wien–Reykjavík derzeit mit Wizz Air, C02-Kompensation hin/retour: 30 € via atmosfair.de 

Mister Iceland
Auf der Farm von Hörður Bender gibt es auch vier Gästehäuser. Die Preise für Ausritte starten bei zweihundert Euro. Einführung, Reitstunde, Essen und ein stressfreies Gesamterlebnis sind inkludiert. Info unter: Mr. Iceland

50 Pferde
gibt es auf dem Hof

Package-Beispiele
Viele Anbieter haben Island im Programm, z.B.:
– Winterreise rund um Island, Termin z. B. 3.–11. 2. 24, ab 3.450 €, kneissltouristik.at
– 14 N. auf einem Kreuzfahrtschiff, Start in Reykjavík, 2 P. für 5.998 €, ruefa.at
– Schöne Island-Rundreise, 8N./p. P. für 3.490 €, gta.at

Auskunft: visiticeland.com

Hörður hat sich sein Vorhaben von den Elfen absegnen lassen, heute hat er um die 50 Pferde, vier Gästehäuser und mal mehr mal weniger gut sprießende Knoblauch- und Karottenfelder. Und er hat sich dem sich wandelnden Tourismus angepasst: „Die Leute, die nach Island kommen, wollen was erleben, haben aber keine Zeit. Ich biete ihnen viel, wenn sie sich einen Tag Zeit nehmen.“ Die mit einem breiten Grinsen gezeichneten Gesichter der Reiter, die gerade vom Herdenritt zurückkommen, sprechen Bände: Sich die Zeit für dieses Abenteuer genommen zu haben, werden sie niemals bereuen. Und wer weiß, vielleicht können die Gäste nächstes Jahr schon eigens hergestelltes Knoblauchsalz mit nach Hause nehmen.