Leben/Gesellschaft

Gala der Menschlichkeit: Kleine Kinder und ihre großen Heldinnen

Ein städtischer Kindergarten in einem hundert Jahre alten Gemeindebaukomplex an der Laxenburger Straße: Exakt 23 Frauen und ein Mann sind hier im Einsatz. Ihnen allen gebührt eher heute als morgen eine Anhebung ihres Gehalts.

Ursula Hapel-Zauner, die Leiterin dieser Einrichtung, nennt zunächst Zahlen: „96 Kinder in fünf Gruppen. Von den 60 Kindern in den beiden Kindergartengruppen drei mit Deutsch als Erstsprache.“

Teil der Realität in ihrem Kindergarten sind außerdem: „Eltern, die ihre Kinder nur in Socken zu uns schicken. Fünfjährige, die zum ersten Mal bei uns vom Teller essen.“ Wichtig ist ihr der Zusatz: „Die meisten Eltern sind auch in unserem Bezirk durchaus engagiert, einigen fehlt es jedoch am nötigen Wissen.“

Eine Elementarpädagogin wie Frau Hapel-Zauner hätte gute Gründe, die Welt und die tägliche Belastung in einem Favoritner Kindergarten als katastrophal abzutun. Das wäre ein Leichtes. Menschen wie sie wollen es sich jedoch nicht leicht machen, arbeiten lieber mit dem, was da ist – suchen nach Lösungen.

„Familiäre Atmosphäre“

Alle Inhalte anzeigen

Während anderswo über den Sommer angekündigt wurde, dass man die Kindergärten wegen des akuten Personalmangels im Herbst schließen muss, während Personalvertreter warnen, dass das bestehende Personal nicht mehr lange die Lücken schließen kann und aufgrund der durch Corona weiter verstärkten Belastungen vielen ein Burn-out droht, ist hier auch nicht alles eitel Wonne, doch vieles nicht derart dramatisch.

„Mich hat vom ersten Tag an die familiäre Atmosphäre beeindruckt“, erzählt Shirin Temper, die als Fellow von „Teach for Austria“ soeben das erste von zwei Jahren in diesem Kindergarten beendet hat und ihre Wahl noch keine Sekunde bereut hat.

Shirin Temper hat Soziale Arbeit studiert, um dann ihre ersten Berufserfahrungen in Einrichtungen unter anderem für Flüchtlinge und für Wohnungslose zu sammeln. Die Vorbereitung bei „Teach for Austria“, einer NGO, die zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen möchte, sei gut und sehr intensiv gewesen, betont sie. „Dennoch war ich in der Arbeit mit Kindern noch einmal mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert.“

Das permanente Suchen nach Lösungen, um die sich ihre Kolleginnen hier Tag für Tag aufs Neue bemühen, beeindruckt sie: „Wie gut sie auf die immer neuen Situationen reagieren, wie sie aus jeder noch so schwierigen Aufgabe das Beste rausholen wollen, wie sie als Team agieren, wie sie auch mich aufgenommen und an ihren Erfahrungen teilhaben lassen, das ist in der Tat schon außergewöhnlich.“

Im hundert Jahre alten Kindergarten stoßen Kinder wie Erwachsene bald einmal an dessen bauliche Grenzen. Daher geht es gemeinsam so oft wie möglich in die nahe gelegenen Erholungsgebiete des 10. Gemeindebezirks.

Und wenn dort die Kinder mit leuchtenden Augen wilde Brombeeren kosten oder die Punkte eines Marienkäfers zu zählen beginnen, dann ist für alle etwas gewonnen. Auch für die Eltern, die sich am nächsten Tag erkundigen, wo denn genau in Favoriten diese zauberhaften Früchte reifen.

„Ihr Bestes zu leisten“

An dieser Stelle ist unbedingt festzuhalten, dass nicht nur die Quereinsteigerin angetan ist von der Arbeit im Kindergarten (übrigens auch von den Eltern). Dessen Leiterin Ursula Hapel-Zauner lobt: „Unsere Mitarbeiterin für die Individualförderung, Shirin, ist fest entschlossen, in den zwei Jahren, die sie bei uns ist, ihr Bestes zu leisten.“

Es leuchten die Augen der beiden Frauen, wenn sie über ihre „Grätzelforschungen“ in Favoriten erzählen: Egal ob Kirche am Keplerplatz oder Amalienbad, bei Ausflügen lernen nicht nur die Kinder. Apropos lernen: „Von jedem Kind lassen wir uns seinen Heimweg zeigen“, sagt Shirin Temper hörbar stolz.

„Und weil wir über keinen eigenen Turnsaal verfügen, dürfen unsere Kinder dank einer Kooperation mit unserer Nachbarschule mit den dort 15-Jährigen turnen“, fügt die Kindergartenleiterin hinzu.

Zu Recht ließe sich nun einwenden: Das alles ist gut und schön, als Anekdote im Kleinen, löst aber nicht die strukturellen Probleme in der Bildungspolitik des Landes. Faktum ist immerhin, dass dank der wertschätzenden Arbeit im Team niemand den Job in diesem Kindergarten kündigen will. Und wenn die Kinder schon nach wenigen Wochen mit dem Messer und der Gabel ebenso selbstbewusst-selbstverständlich umgehen wie mit Bilderbüchern und Zeichenstiften, dann ist wohl auch etwas gelungen.

Alle Inhalte anzeigen

Wir nominieren: Bis zur „Gala der Menschlichkeit“ am 10. November porträtiert die Redaktion 16 Menschen, die sich unentwegt, uneigennützig und ohne großes Aufsehen zu erregen in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Heute im dritten Teil: zwei engagierte Mitarbeiterinnen in einem Wiener Kindergarten – Ursula Hapel-Zauner und Shirin Temper.

Sie nominieren: Wenn Sie auch jemanden kennen, der eine Auszeichnung verdient, dann reichen Sie bitte jetzt ein, und zwar hier.