Rushdie: Ob wirklich alles von Gott stammt?
Von Barbara Beer
Weltliteratur, viel diskutiert, wahrscheinlich weniger viel gelesen. Salman Rushdies „Satanische Verse“ sind keine Verse, sondern ein Roman, und Rushdie hat den Begriff der „Satanischen Verse“ auch nicht erfunden. Der bezieht sich auf eine umstrittene Episode in der Legende des islamischen Propheten Mohammed, der darin von Satan heimgesucht wird.
Worum geht’s bei Rushdie? Während eines Fluges wird ein Terroranschlag verübt. Zwei aus Indien stammende Muslime sind die einzigen Überlebenden. Sie bilden fortan eine merkwürdige Symbiose aus Gut und Böse. Gibril zeigt immer mehr Ähnlichkeit mit dem Erzengel Gabriel, während sich Saladin zu einem Abbild des Teufels entwickelt. Bildreich schildert Rushdie ihre Abenteuer, durchbrochen von Rückblenden und Traumsequenzen.
Stilistisch ist der Roman im Genre des magischen Realismus angesiedelt, wie in der lateinamerikanischen Literatur oft verwendet. Rushdie selbst bezog sich mehrfach auf den Roman „Der Meister und Margarita“ des Russen Michail Bulgakow, der darin schildert, wie ein ziemlich menschlicher Teufel die Stadt Moskau in den Irrsinn treibt.
Wo liegt der Stein des Anstoßes? Rushdie stellt die Lehren des Korans infrage. Die Weltreligion sei womöglich nicht durch die Offenbarung Gottes, sondern eines einzelnen Menschen entstanden. Viele Muslime sahen darin eine Verspottung ihres Glaubens und wähnten eine „Verschwörung des Westens“. Lang vor den dänischen Mohammed-Karikaturen und Charlie Hebdo löste der Roman eine Debatte über Meinungsfreiheit aus. Rushdie selbst forderte immer wieder, die Werte der Aufklärung und der Meinungsfreiheit hochzuhalten.
Was das Gegenteil von Glaube sei, wird in den „Satanischen Versen“ gefragt: „Nicht Unglaube. Zu endgültig, gewiss, hermetisch. Selbst eine Art Glaube. Zweifel.“