Oscars 2021: Historische Gewinne, Vielfalt und matte Gala
Von Alexandra Seibel
Eines kann man jetzt mit Sicherheit sagen: Die Organisatoren der Oscar-Show wissen in Vorhinein tatsächlich nicht, wer die Gewinner und Gewinnerinnen des Galaabends sein werden. Nur so lässt sich der dramaturgische Absacker einer ohnehin nicht sehr spritzigen Zeremonie erklären. Während üblicherweise am Ende der Oscar-Preisverleihung die Verkündung des besten Films den Höhepunkt darstellt, haben die Show-Produzenten – allen voran Steven Soderbergh – ein neues Ende gewagt: Als letzter Preis wurde der Oscar für den besten Schauspieler vergeben. Offensichtlich hatte man darauf gesetzt, dass der bereits verstorbene Chadwick Boseman den Oscar posthum zugesprochen bekommt – und seine Witwe, die im Publikum saß, eine berührende Rede hält.
Doch es kam anders. Joaquin Phoenix verkündete im Affentempo, dass der 83-jährige Hopkins für sein Spiel als Demenzkranker in "The Father“ den Oscar bekam. Und nachdem Hopkins in keiner Form anwesen war – also sich weder vor Ort in Los Angeles befand, noch von sonstwo zugeschalten wurde – ging die Show damit abrupt zuende.
Hopkins holte seine Rede später via Instagram nach.
Kinoliebe
Das plötzliche Finale war schade, aber auch bezeichnend. Anstelle einer Gala, die sich "wie ein Kinofilm“ anfühlen sollte, gab es zwar ein intimes Tête-à-Tête mit Star-Präsentatoren wie Reese Whiterspoon, Laura Dern, Harrison Ford, Regina King oder Brad Pitt. Doch trotz der innigen Bar-Ambiente in der Art-Deco-Bahnhofshalle Union Station in Los Angeles wollte keine sonderlich animierte Stimmung aufkommen. Auch die angekündigte Feier des Kinos blieb weitgehend aus; nur wenige Filmclips wurden eingespielt und die ansonsten so berührende "In Memoriam“-Bildstrecke wurde zu einem allzu flockigen Jazz-Score heruntergejagt.
Zum Glück erinnerte Frances McDormand in ihrer Dankesrede für den Oscar als beste Schauspielerin in den Zeiten der Pandemie wieder an das Kino: "Schauen Sie sich ,Nomadland‘ auf der größtmöglichen Leinwand an!“
Und das sollte man wirklich tun: "Nomadland“ ist mit drei Auszeichnungen der große Gewinner der Oscarnacht, herzzerreißend und lakonisch zugleich; und er hat etwas über die amerikanische Gegenwart zu sagen. Zudem ist er von großartigen Frauen getragen: Die in China geborene Regisseurin Chloé Zhao erhielt den Oscar für beste Regie und ist damit die zweite(!) Frau und erste Asiatin, die einen Regie-Oscar erhielt. Frances McDormand, die bereits ihren dritten Oscar erhielt, ist ohnehin eine Klasse für sich. Darüberhinaus ist "Nomadland“ der Film eines großen Studios und jetzt bei Disney. Mit nur sieben Gewinnen konnte der Streamingriese Netflix nicht so reüssieren, wie er gehofft hatte.
In den Nebenkategorien für bestes Schauspiel gewannen Daniel Kaluuya für seine Rolle als Black Panther in "Judas and the Black Messiah“ und die Südkoreanerin Yuh-jung Youn, schlagfertige Großmutter in dem koreanisch-amerikanischen Drama "MInari“. Abgesehen davon, dass die beiden die lustigsten Reden des Abends hielten, lassen sich die beiden Gewinne auch als klare Antwort auf die OscarSoWhite-Kampagne lesen.
Diversität wurde bei dieser Preisverleihung tatsächlich groß geschrieben. Aber wenn am Ende der Sieg eines weißen, alten Mannes stand.
Übrigens: In China wurden die Berichte über die Siege von Chloé Zhao zensiert.