Kultur

Opernball-Protokoll: Mogst in mei Tuba greifen?

Der vielleicht lustigste Moment des Opernballs ereignete sich schon vor dem Opernball. Alfons Haider sollte bei einem Einstieg in die ZIB1 den Satz sagen „Sollten Sie schon ein Büffet vorbereitet haben“, sagte aber statt Büffet „Püree“. Ansonsten gab es den ersten von vielen Sebastian-Kurz-ist-jung-Witzen des Abends.

Und damit schalten wir von Wien nach London.

Umfallende Pinguine

Die Universität von Roehampton entstand 1975 durch den Zusammenschluss von Whiteland College, Digby Stuart College, Froebel College und Southlands College. Und ich muss beim Opernball immer an die Universität von Roehampton denken.

Weil nämlich: Vor einigen Jahren hat die Universität von Roehampton allen Ernstes eine wissenschaftliche Untersuchung über die Frage gemacht, ob dicke oder dünne Pinguine öfter hinfallen.

Und beim Opernball sind ja die Herren befrackt, also als Pinguine verkleidet. Natürlich sind österreichische Opernballbesucher niemals dick, aber möglicherweise manchmal ein bisschen fett, wenn im Laufe der Nacht häufig nachgetankt wird. Und vielleicht fällt sogar einmal einer hin, wer weiß?

Leider überträgt der ORF die interessantesten Stunden beim Opernball nicht, also die ab drei, vier Uhr früh, wenn sich die ganze imperial inszenierte, blumenbeschmückte, ordensbehängte, modegeschöpfte Förmlichkeitspracht langsam in Morgengrauen und Katerstimmung auflöst, in Stiegenhäusern herumsitzt, mit dem Kopf in Decolletes fällt, Rotweinflecken bekommt, auf Wurstresten ausgleitet, beim Schmusen mit Fremden erwischt wird und von Minute zu Minute immer mehr so aussieht, wie das, was von einem geplünderten Buffet überbleibt, also welkende Salatdekoration. DANN müsste man live übertragen und Interviews machen.

Getragene Robben

Apropos Pinguin: Vor einem Jahr titelte eine Gratis-Zeitung „Opernball der Rekorde: Die Stars, die Robben“, und das war eine glatte Lüge, denn auf dem ganzen Ball war keine einzige Robbe zu sehen. Schade eigentlich. Es könnte ja auch einmal eine Dame statt einer Robe eine Robbe tragen, das sähe sicher interessant aus, und umfallen würde sie vielleicht auch.

Die Übertragung beginnt um kurz nach 21.00 Uhr, und Alfons Haider sagt erst im zweiten Satz „schönster Ballsaal der Welt“. So spät? Ein kleiner Skandal. Wir erfahren, dass der Opernballcocktail „Glücklich ist, wer vergisst“ heißt, was nicht unbedingt nach etwas klingt, was James Bond zwischen zwei Explosionen geschüttelt, nicht gerührt bestellt. Tanzchef Roman Svabek erklärt, dass der Linkswalzer ein „Wienerischer Tanz ist, weil er ein bisschen schlampig ist“. Auch etwas, um das sich die neue Regierung noch kümmern muss.

Danach kommt es zum ersten von vielen schönen Dialogen zwischen Kari Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz. „Otto Retzer habe ich gerade gesehen.“ – „Wer ist Otto Retzer?“ – „Ein Wörthersee-Spezialist.“

Alfons Haider verspeist eine Schnitzelsemmel und spricht mit vollem Mund.

Kari Hohenlohe sagt: „Da ist DJ Ötzi, ohne das first Kappl.“

In die Damen hinein

Wagner-Trenkwitz sagt: „Jetzt schauen wir in die Damen hinein.“ Egal, wie das gemeint war – man war sehr froh, dass niemand der Idee näher trat.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird interviewt und sagt: „Wir zeigen Millionen von Leuten, wir können auch feiern“ und schaut dabei drein wie das Gegenteil dieses Satzes.

Christoph Wagner-Trenkwitz macht den zweiten von vielen Kurz-ist-jung-Witzen des Abends: „Sebastian Kurz – ein bisschen zu alt fürs Debüt.“

Im Bild erscheint Richard Lugner. Wagner-Trenkwitz sagt: „Meine Damen und Herren, also eher die Damen, wenn Sie um die 40 sind und Herrn Lugner heiraten wollen, schauen Sie ihn sich noch einmal an.“

Es gibt die ersten Interviews. Mirjam Weichselbraun spricht ein sehr britisches Englisch: „‘ave a verrrry noice evening.“ Alfons Haider spricht angeblich auch Englisch, Sprachforscher rätseln jedoch noch, um welche Sprache es sich wirklich handelt. Möglicherweise um einen sehr alten Dialekt, der nur auf zwei unbewohnten Orkney-Inseln gesprochen wird.

Es folgen diverse künstlerische Darbietungen zur Eröffnung. Erkenntnis: (Tanzfans mögen verzeihen, aber) Ballett ist auch auf dem Opernball fad.

"Definitiv"

Um 22.49 Uhr ist dann schon wieder Neujahr (wie viel Zeit vergehen kann, während man damit beschäftigt ist, sich zu langweilen): Donauwalzer! Prosit 2019!

SPÖ-Chef Christian Kern twittert zu dieser Zeit über Medienthemen. Auf die Frage des Autors dieser Zeilen „Sind Sie nicht auf dem Opernball? Hat es auch Vorteile nicht mehr Kanzler zu sein?“ antwortet er trocken mit: „Definitiv.“

Die Übertragung wird unterbrochen für eine kurze ZIB2. Armin Wolf macht den dritten von vielen Kurz-ist-jung-Witzen des Abends. Um 23.10 übergibt er wieder an die Ballberichterstattung mit den Worten: „Ich entschuldige mich für mein proletarisches Aussehen, aber die Fräcke im ORF-Fundus waren alle vergriffen.“ (Krönchen hätte es dem Vernehmen nach noch gegeben.)

23.15 Uhr. Der zu Recht gefürchtete Interview-Teil beginnt. Und Alfons Haider versucht alles, um der Rainer Pariasek des Opernballs zu werden. Im Interview mit Bundeskanzler Kurz fragt er diesen zuerst, ob es ihm schon oft passiert sei, zu alt für die Eröffnung zu sein (der vierte Kurz-ist-jung-Witz des Abends), dann, ob das Ball-Catering sich mit den Prinzipien der Sparsamkeit vereinnahmen lässt, und dann, ob Kurz auch, wie weiland Bruno Kreisky, über das „Häusl“ vor dem Tanz zu flüchten gedenke. Kurz bleibt bemerkenswert höflich (hätte er angesichts dieses Unsinns geantwortet „Herr Haider, san se wo ang’rennt?“, hätte es ihm niemand verdenken können). Waris Dirie (Model und Aktivistin, Gast von Kurz) nennt Kurz „my beautiful friend“ und sagt dann sehr wichtige Dinge über den Missbrauch von Frauen in Afrika. Haider geht rasch zum Thema „diese schönen Bilder hier“ über.

Es ist ein Anfassen

Mirjam Weichselbraun spricht mit der Schauspielerin Sunnyi Melles, und die sagt, äh, interessante Sachen über den Opernball an und für sich: „Es ist ein Miteinander, es ist ein Anfassen, es ist ein Tanzen. (…) Jeder fasst sich Arm in Arm, geht dann wieder, kommt wieder, und es ist schön.“ Gut, dass das einmal jemand gesagt hat.

Jetzt kommt der schwierigste Teil für Mirjam Weichselbraun – sie muss Richard Lugner und seinen Gast Melanie Griffith befragen. Mirjam fragt: „Müssen Sie bald zurück nach L.A.?“ – Griffith wirkt leicht neben der Spur und sagt: „Toll, wie Sie das schaffen, zwischen den Sprachen zu wechseln.“ – Mirjam übersetzt: „Ja, sie muss bald zurück.“ Mirjam fragt Lugner, was er zur Beschreibung seiner Person durch Griffith‘ Freundin Goldie Hawn („wild, crazy, wonderful“) sagt? Er antwortet: „Melanie Griffith ist ein Traum von einem Gast.“

Weichselbraun fragt Griffith, ob sie sich den neuesten Film aus der „Shades Of Grey“-Serie anschauen wolle, in der ihre Tochter die Hauptrolle spielt. Griffith sagt, nein, das wäre doch peinlich ("awkward"), als Mutter. (Damit verkennt sie, dass diese Filme für jeden peinlich sind und dass exakt darauf ihr Erfolg beruht – dass man sich im Kino so richtig genüsslich genieren kann.)

Jetzt ist wieder Haider dran, er interviewt das Ehepaar Lauterbach und quält die beiden in eine furchtbar unangenehme „Bitte tanz mit mir“-Szene hinein, wobei Frau Lauterbach vor ihrem Mann kniet, und Haider fällt dazu nichts anderes ein als ein unpassender Waris-Dirie-Witz.

Gablitz

Es findet nun eine Live-Schaltung (via Handy) in einen Privathaushalt in Gablitz statt, wo junge Menschen in rosa Kleidern herumsitzen, Wurst essen und ein selbstgedichtetes Opernball-Lied singen, und das muss diese Interaktivität sein, von der jetzt alle reden, und „Shades Of Grey“ ist vielleicht doch nicht so schlimm.

Und noch während man diese Gedanken wälzt, wird alles noch schlimmer: Ein Musiker in der Oper sagt zu Weichselbraun „Mogst amoi in mei Tuba greifen?“, und die macht das auch noch, anstatt „Träum weiter, Burli“ zu sagen.

Und während man noch mit der Gänsehaut ringt, legt Haider nach. Er spricht mit einer wunderbaren, 100-jährigen Dame und sagt tatsächlich zu ihr: „Sie machen ja so viel (…) Sie haben eine Hüfte operiert bekommen, wann?“

Herzlos

Und dann sagt Haider den bemerkenswertesten Satz des Abends: „Ich hatte seit zehn Jahren kein Herzklopfen mehr.“ Hm … also ich würde einmal zum Arzt gehen.

Danach marschiert Haider in die Staatsopern-Kantine und ruft einer Frau im Vorbeigehen zu: „Ned ducken, gnä Frau, keine Angst“, und man kann die Frau gut verstehen und würde sich vielleicht auch ducken und Angst haben.

Danach wirbt Opernchef Dominique Meyer für Hilfsaktionen wie die „Gruft“ oder die „Superar“-Aktion, die bedürftigen Kindern die Möglichkeit gibt, Musik zu machen – und das ist ein ganz wichtiger, ernsthafter, wahrhafter Moment, aber er ist eh gleich vorbei.

Dann sagt Alfons HaiderEs ist jetzt Viertel nach Null“ und dann sagt Wagner-Trenkwitz „Den Opernball gibt es ja wirklich, um Gottes Willen“, und dann ist die Übertragung aus.

Sollten nach Ausschalten der Kameras alle Menschen in der Oper spontan umgefallen sein – es würde nicht verwundern.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 19. Februar in der Kulturwerkstatt Kottingbrunn, am 21. Februar und am 3. Mai im Kabarett Niedermair, am 2. März im Theater am Alsergrund, am 17. März in der Tischlerei Melk und am 20. März im CasaNova Wien zu sehen.

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