Kultur/Medien

Wegen ORF-Gesetz und ORF-Beitrag: VÖZ ruft EU-Kommission an

Das Durchwinken des ORF-Gesetzes und des ORF-Beitrages im Verfassungsausschuss durch die Regierungsparteien ÖVP und Grüne ohne Berücksichtigung jeglicher Einwände war offenkundig das Überschreiten der rote Linie: Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) hat am Donnerstag die EU-Kommission in Brüssel über eine anstehende Beschwerde informiert. Formell eingebracht wird die Beschwerde noch vor der Beschlussfassung des Gesetzes im österreichischen Nationalrat. Die Abstimmung im Parlament ist in der ersten Juli-Woche vorgesehen.

Der Zeitungsverband, der am Donnerstag seine jährliche Generalversammlung abhielt, setzt damit seine Drohung um. Es geht, wie schon seit Wochen, um die sogenannte „blaue Seite“ und, nun, um den ORF-Beitrag, aus dessen Mittel orf.at ab 2024 finanziert werden wird sowie „Sonderzuwendungen“.

Im Medienministerium von Susanne Raab (ÖVP) nahm man die VÖZ-Ankündigung betont ruhig auf: „Wir sehen der Beschwerde sehr gelassen entgegen. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ist in engem Austausch mit der EU-Kommission, die auch über alle Schritte informiert ist. Die neue Finanzierung des ORF ist aus Sicht des Verfassungsdienstes aus mehreren Gründen jedenfalls mit dem Beihilfenrecht der EU vereinbar“, teilte ein Sprecher Raabs mit.

Der VÖZ hält in seiner Beschwerde fest, dass orf.at „mit den Angeboten der Printmedien vergleich- und substituierbar (der ORF steht, insbesondere in Bezug auf Nachrichten und Kultur, im publizistischen Wettbewerb mit den Printmedien).“ Die "Blaue Seite" sei „nicht nur zeitungsähnlich, sondern tatsächlich eine Zeitung. Man verweist in diesem Zusammenhang auch den Versuch, die auf orf.at an einem durchschnittlichen Tag auffindbaren Meldungen als Zeitung drucken – es wurde daraus ein 72-seitiges Printprodukt.

Marktverstopfung

Die Auswirkungen von orf.at aus Sicht des VÖZ, weshalb man gegen das ORF-Gesetz nun vorgeht: Die umfassende ORF-Berichterstattung führt zur Marktverstopfung. Sie führt überdies zu einer Reduzierung der Bereitschaft von Nutzern, kostenpflichtige Angebote der Tageszeitungen zu nutzen. Weiters generiert der ORF durch seine Berichterstattung online erhebliche Werbeeinnahmen.

Neubewertung

Durch das neue Gesetz werde der ORF „künftig berechtigt sein, seine Berichterstattung weiter zeitungsähnlich auszugestalten“, erläutert VÖZ-Generalsekretär Gerald Grünberger.

Dass der Öffentlich-Rechtliche zudem Kompensationen aus dem Bundesbudget für den Wegfall des Vorsteuerabzugs erhält, spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle. „Insofern erhöht sich dessen Vergütung wesentlich.“

Der VÖZ sieht nun das Vorliegen einer anmeldepflichtigen Änderung der Beihilfe gegeben, womit die EU-Kommission zu befassen ist, die in so einem Fall eine Neubewertung vorzunehmen hätte.

Dieser Schritt birgt für den ORF einiges an Gefahren. Prüft die EU-Kommission das neue Gesetz samt Finanzierung vertiefend, könnte es zu Zeitverzögerungen beim Inkraftreten von Gesetz und Beitrag kommen. Überdies könnte Brüssel einzelne Punkte beihilfenrechtlich beanstanden – ebenfalls mit Folgen – zeitlich wie einnahmenseitig -  für den ORF. Im schlimmsten Fall droht dem ORF ein Start ins neue Jahr 2024 ohne eine rechtlich abgesicherte Finanzierung mit Folgen wie einen kompletten Beauftragungsstopp etc..