Kultur/Medien

Vor ORF-Stiftungsrat mit Westenthaler-Debüt

Im Wahljahr 2024 rückt der ORF ins Zentrum der Diskussionen. Der Auftakt dazu ist die erste Sitzung der 35 ORF-Stiftungsräte am Donnerstag mit einem prominenten Rückkehrer auf dem FPÖ-Ticket: Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler. Er ist offenbar gewillt, wie Anfang der 2000er-Jahre, den Takt vorzugeben und hat bereits einen langen Fragenkatalog an ORF-Chef Roland Weißmann angekündigt. Die Themen liegen für ihn auf der Hand: das "Chaos" bei der Haushaltsabgabe, die Spitzeneinkommen auf dem Küniglberg vor der Veröffentlichung Ende März. Westenthaler, der regelmäßig mit Ex-SPÖ-Politiker Josef Cap beim Privatsender oe24.tv auftritt, fiel darüber hinaus mit Aussagen auf, die nicht zuletzt den ORF-Redaktionsrat irritierten. So sprach er vom ORF als "Propagandamaschinerie", die nur zur FPÖ Distanz wahre. 

Ein großes Thema ist der neue Ethik-Codex, der auch dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen wird. Es ist in etwa ein Jahr her, dass ORF-Generaldirektor Weißmann eine Ethikkommission unter Führung der früheren Generaldirektorin der European Broadcasting Union (EBU), Ingrid Deltenre, eingesetzt hat. Es war eine Reaktion auf Chataffären und umstrittene Auftritte von ORF-Mitarbeitern den Themen Compliance, Nebenbeschäftigungen und Social Media. Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im Stiftungsrat, erhofft sich "klare Regeln mit klaren Konsequenzen, damit sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher fühlen". So auch Sigrid Pilz, die für den Grünen-"Freundeskreis" spricht: "Es soll transparent dargelegt werden, was man außerhalb des Unternehmens legitim tun darf und was nicht."

Mehr Transparenz

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, kritisiert schon seit längerem teils üppige Nebenjobs von manchen ORF-Mitarbeitern, insbesondere durch Moderationen. Er fordert im APA-Gespräch erneut eine "massive Begrenzung". Man dürfe nicht mehr als 30 Prozent des Gehalts durch Nebenerwerb einnehmen - und davon müsse ein Teil in einen Sozial- und Weiterbildungsfonds im Haus fließen, so die Vorstellung des Stiftungsrats. Zudem sollten alle Anfragen über eine zentralisierte Plattform laufen und halbjährliche Transparenzberichte im Stiftungsrat vorgelegt werden. "Wir werden den Dagobert Ducks des ORF genau auf die Finger schauen", so Lederer, der ankündigte, die Zustimmung zum Ethikkodex zu verweigern, wenn er "nicht das Papier wert ist, auf dem er geschrieben steht".

Apropos Einnahmen: Das novellierte ORF-Gesetz sieht mit Ende März eine Veröffentlichung der ORF-Gehälter nach Gehaltsklassen vor. Ab 170.000 Euro brutto muss auch der Name angeführt werden. Der ORF-Betriebsrat geht wegen vermuteter Verfassungswidrigkeit bei Gericht dagegen vor. Fraglich ist, ob es bis zur gerichtlichen Klärung zu einer Aussetzung der Veröffentlichung kommt.

ORF-Beitrag

Eine Haupt-Aufgabe des Stiftungsrats ist es auch, einen genauen Blick auf die finanzielle Situation des ORF zu werfen. "Insgesamt gibt es in Österreich noch immer eine schwierige wirtschaftliche Situation. Wir haben früh Maßnahmen auf der Kostenseite gesetzt und haben gesicherte Einnahmen. Der ORF ist gut aufgestellt", meinte Zach, der dem Finanzausschuss im Stiftungsrat vorsitzt. Er verwies darauf, dass es mit der Umstellung auf den ORF-Beitrag "für die große Mehrheit günstiger" geworden sei. Es wäre daher komisch, wenn bisherige Beitragszahler nun unzufriedener wären als früher. "Das wäre ein wirtschaftliches Paradoxon", so Zach.

Pilz sieht mit dem ORF-Beitrag eine zukunftstaugliche Finanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die gerecht sei, weil sie alle - mit Ausnahme von Gebührenbefreiten - gleich belaste. "Die Implementierung wird aber leider durch negative politische Kommentare einzelner Parteien in der Öffentlichkeit erschwert", so Pilz wohl mit Blick auf die FPÖ, die dessen Abschaffung angekündigt hat, sollte sie in Regierungsverantwortung kommen. Das würde wiederum nach sich ziehen, dass 400.000 sozial schwache Haushalte, die bisher nicht zahlen müssen, künftig über Umwege zur Kasse gebeten werden.

Lange Debatte

Von Westenthaler angekündigt sind eine Vielzahl an Anträgen und Fragen an die ORF-Chefriege. "Eine lange Sitzungsdauer des Stiftungsrats, hervorgerufen durch interessierte Fragen oder sachdienliche Beiträge, stört mich nicht", meinte Pilz, die davon ausgeht, dass Westenthaler die Gremienregeln kenne. "Dazu gehört, dass man dem Unternehmen durch sein eigenes Verhalten keinen Schaden zufügen darf", so die Stiftungsrätin. "Was aufzuklären ist, muss aufgeklärt werden", so Lederer, der aber davor warnte, grundlos Abläufe zu verlängern. "Ich habe schon viele Stiftungsratssitzungen erlebt. Am Schluss war eines immer sicher: Es gibt ein Ende der Sitzung", so Zach.

Gewisse Rechtsunsicherheit

Wie lange es den ORF-Stiftungsrat in dieser Form noch gibt, hängt davon ab, wann die Bundesregierung ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof (VfGH) umsetzt. Das Höchstgericht hatte im Vorjahr festgestellt, dass die Regierung bei der Besetzung der ORF-Gremien zu viel Gewicht hat. Die Bestellregeln müssen folglich adaptiert werden.

Lederer will sich bei ORF-Chef Weißmann nach einem Zwischenstand erkundigen, befinde man sich im Stiftungsrat nun ja doch in einem "rechtsunsicheren Raum". Er plädiert auf eine Reduktion der Stiftungsratssitze, wobei speziell die Regierung weniger Räte entsenden solle. Derzeit kommen der ÖVP und den Grünen nahestehende Stiftungsräte auf eine deutliche Mehrheit. So eine Regierungsmehrheit dürfe es künftig nicht mehr geben, meinte SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Lederer. 

 

Programm-Diskussion

Thema wird zudem der Stand einer "großen Reform" im Infobereich. Es brauche nicht zuletzt aufgrund schwacher Quoten so mancher Diskussionssendung "rasch Veränderung". "Wir sind bei diesen Formaten echt verstaubt", meinte Lederer.