Josephinum: Körperwelten anno dazumal
Am Alsergrund befindet sich das reiche kulturelle Erbe der medizinischen Universität Wien. Deren europaweit einzigartige medizinhistorische Sammlung repräsentiert die traditionsreiche 650-jährige Geschichte dieser Institution.
Ihr architektonisches Highlight: das von 1783 bis 1785 unter Kaiser Joseph II. nach Plänen des Hofarchitekten Isidor Canevale erbaute frühklassizistische „Josephinum“ – ursprünglich eine medizinisch-chirurgische Akademie zur Ausbildung von Militärärzten für die österreichische Armee.
Mit seinen fast 1.200 anatomischen Präparaten und rund 100 geburtshilflichen Modellen verfügt das Baujuwel über eine der größten und spektakulärsten Sammlungen von wissenschaftlichen Wachsmodellen.
Sie stammen ursprünglich aus Italien. Bei einer Reise zu seinem Bruder in die Toskana war Joseph II. bei einem Besuch des naturgeschichtlichen Museums „La Specola“ in Florenz von Wachsmodellen des menschlichen Körpers so begeistert, dass er gleich mehr als 1.000 Stück bestellte.
Die unglaublich natur- und detailgetreu nachgebildeten Figuren – kaum zu unterscheiden von den Leichen-Plastinaten der „Körperwelten“ von Gunther von Hagen – kamen unter großem Aufwand per Packesel über die Alpen und mit dem Schiff nach Wien. Wo sie für die Studenten über Jahrhunderte als Lehrobjekte dienten.
Etwa das Ganzkörpermodell des „Lymphgefäßmannes“ oder die blonde und mit einer Perlenkette geschmückte Venus aus mit Harz gehärtetem Wachs, jung und schön seit mehr als 230 Jahren. An einer Stelle des Uterus, wo das Wachs fast durchsichtig ist, scheint ein winziger Fötus durch – sie ist schwanger.
Im Geist der Aufklärung
Objekte der Wissenschaft sind sie und zugleich geheimnisvolle Kunstwerke, die vom Zeitgeist des 18. Jahrhunderts erzählen, als viele noch nicht wussten, wie der Mensch im Inneren mit seinen Organen, Muskeln, Sehnen, Adern, Gefäßen und Knochen aussieht.
„Diese großartigen Wachsmodelle sind wirklich einzigartig in der Qualität, in der Fülle und in ihrer Schönheit“, sagt die Direktorin Christiane Druml.
Zu den Schätzen des Josephinum gehören aber auch u. a. historische chirurgische Instrumente, das Original-Mikroskop von Theodor Billroth, eine medizinhistorische Bibliothek mit insgesamt 500.000 Schriften und Publikationen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert sowie eine Bilder- und eine Handschriftensammlung.
Juwel im Umbau
„So bekannt wie das Freud Museum in der Berggasse sind wir leider nicht“, sagt die Bioethikerin Christiane Druml, seit 2015 Leiterin der medizinischen Sammlungen der MedUni Wien, im KURIER-Gespräch. Aber sie holt das Josephinum jetzt aus dem Dornröschenschlaf.
Der Ort, wo Kunst und Wissenschaft aufeinandertreffen, wird generalsaniert, modernisiert und bis 2022 um mehr als elf Millionen Euro zu einem medizin-historischen Museum um- und ausgebaut.
Original-Malerei
Im Zuge der Renovierung rückgebaut wird auch ein nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörter historischer, neun Meter hoher Hörsaal, das Herzstück des Josephinums.
Wobei sich gezeigt hat, dass die unter einer dicken Farbschicht gefundenen großflächigen, originalen Wandmalereien von 1785 erstaunlich gut erhalten sind.
15 Gelehrtenporträts, darunter Hippokrates, der Vater der Medizin, könnten wieder freigelegt werden und den künftigen Festsaal schmücken. Wenn genügend Geld dafür vorhanden ist.
www.josephinum.ac.at