Kultur

"Am Ende – Die Macht der Kränkung" Letzte Worte, die es in sich haben

„Ein paar Wochen, Monate vielleicht“. So viel Zeit bleibt David (Golo Euler) noch, teilt ihm die Ärztin mit.
Schnitt. 
Und schon befindet sich der TV-Zuseher inmitten der Trauergemeinde, die zu Davids Beerdigung gekommen ist. Dabei wird auch der Abschiedsbrief, den er wenige Tage vor seinem Tod verfasst und seiner Ärztin hinterlassen hat, vorgelesen. Letzte Worte, die es in sich haben. Oder anders formuliert: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie davor. Denn was wie ein versöhnliches Lebewohl beginnt, endet mit schweren Vorwürfen.

Mit diesem Knalleffekt beginnt die zweite Staffel der ORF/ZDF-Koproduktion „Die Macht der Kränkung“, die mit dem zusätzlichen Titel „Am Ende“ ausgestattet wurde. Der 270 Minuten dauernde Film (aufgeteilt auf insgesamt sechs Episoden) dreht sich um toxische Beziehungsstrukturen innerhalb einer Familie und eines Freundeskreises. Die Geschichte wird Schritt für Schritt aufgedröselt und verbildlicht, wie nahe bewusste und unbewusste Kränkungen beieinanderliegen und wie sehr das Unausgesprochene seelische Verletzungen verursachen kann.

Sichtweise

Davids Abschied löst innerhalb seiner Familie zahlreiche Fragen auf – Fragen, die im Verlauf der Serie auch beantwortet werden. Und zwar aus verschiedenen Perspektiven: Den Anfang macht der Verstorbene selbst, es folgen seine jüngere Schwester Mirjam, sein bester Freund Roko, seine Mutter Rosa, seine Frau Julia und zum Schluss sein Sohn Leon. Jede dieser Personen bekommt ihre eigene Folge, darf ihre eigene Geschichte erzählen.

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Regisseur Daniel Prochaska, dessen Stipsitz-Krimi „Kopftuchmafia“ am Montag TV-Premiere hatte, legt die Serie auf zwei Erzählebenen an. Ebene eins spielt in der Gegenwart. Ebene zwei geht zurück in die Vergangenheit, ist ein Rückblick auf Schlüsselsituationen in Davids Leben. Jede Rolle wird dabei doppelt besetzt: Der junge David wird zum Beispiel großartig von Philip Froissant verkörpert.

Die sechs Folgen beleuchten einschneidende Erlebnisse und Kränkungen – von seiner Jugend bis kurz vor seinem Tod. Aus diesen Puzzlesteinen entsteht ein Bild, eine Antwort darauf, wie David zu dem Menschen geworden ist, der er am Ende war.

„Für mich war es wichtig, dass die Serie positiv endet, dass man etwas Hoffnung mitnehmen kann, etwas fürs Leben lernt“, sagt Prochaska im Gespräch. Im Gegensatz zur 2021 ausgestrahlten ersten Staffel von „Die Macht der Kränkung“, die vom Bestseller des österreichischen Gerichtspsychiaters Reinhard Haller inspiriert war, gibt es in Staffel zwei neben Schatten auch genügend Licht.

„Into My Arms“

Die am 31. 10. und 1. 11. in ORF 1 (ab 20.15 Uhr) zu sehenden Folgen gehen auf die kreative Leistung der Autorinnen Agnes Pluch, Marie-Therese Thill, Rebekka Reuber zurück – ihr Drehbuch wurde 2023 auch mit einer ROMY ausgezeichnet. Ausgezeichnet ist auch der von Daniel Prochaska zusammengestellte Soundtrack, der als Gefühlsverstärker agiert: Zu Mercury Rev („Holes“), Nick Cave („Into My Arms“), R.E.M. („Losing My Religion“) und Radiohead („Creep“) lässt es sich eben besser weinen.

TV-Ausstrahlung: Der ORF zeigt drei der insgesamt sechs Folgen am 31. Oktober in ORF 1 (ab 20.15). Das Finale (Folge 4 bis 6) folgt tags darauf. Die ganze zweite Staffel steht bereits auf ORF On zum Abruf bereit.

Der Cast: Es spielen u. a. Golo Euler, Philip Froissant,  Angelina Häntsch, Luise Hart, Antonia Bill, Lilia Herrmann, Barbara Auer, Henriette Richter-Röhl,  Mohamed Achour. Regie: Daniel Prochaska. Drehbuch: Agnes Pluch, Marie-Therese Thill, Rebekka Reuber.