Biennale Venedig: Goldene Löwen für Australien und neuseeländisches Kollektiv
Von Michael Huber
All jene, die sich eine Auszeichnung für den Österreichischen Pavillon bei der Kunstbiennale von Venedig erhofft hatten, hielten bei der Verleihung am Samstag kurz den Atem an: "The Golden Lion goes to Austr..." hieß es da. Es war dann aber "Australia": Der Künstler Archie Moore hatte mit einer gigantischen Kreidezeichnung, in der er seinen Stammbaum über 2400 Generationen zurückverfolgte, die Jury überzeugt. Die Auszeichnung passt auch in das generelle Programm der Biennale, die die Kunst von Indigenen mehr hervorhebt als je zuvor.
Als bester Beitrag zur Hauptausstellung wurde das Mataaho Collective aus Neuseeland ausgezeichnet. Die Künstlerinnen schufen am Eingang des Arsenale eine zeltartige Struktur, die Elemente der Maori-Kultur in eine moderne Formensprache übersetzt. Als Vorbild dienten Zelte, die als Schutz für gebärende Mütter errichte werden.
Politische Zwischentöne
Die 87-jährige Künstlerin Samia Halaby, aus Palästina gebürtig, wurde mit einer "besonderen Erwähnung" für ihre Malerei, aber auch für ihre "Aufmerksamkeit für die Leiden des palästinensischen Volkes" gewürdigt. Via Zoom mzugeschaltet, widmete die Künstlerin ihren Preis jungen Journalisten in Gaza. Ein weitere Erwähnung ging an die indigene Trans-Künstlerin La Chola Poblete aus Argentinien.
Lebenswerk-Löwen
Die Goldenen Löwen für das Lebenswerk wurden an die ägyptisch-türkisch-französische Künstlerin Nil Yalter und an Anna Maria Maiolino vergeben. Eine Arbeit von Yalter ist im Eingangsbereich des zentralen Pavillons zu sehen. Immer wieder beschäftigt sich die Künstlerin mit Migrationserfahrungen, die in Fotos, Videos und symbolträchtigen Objekten vermittelt werden. In ihrer Dankesrede appellierte sie: "Wir brauchen Frieden mehr als alles andere". Die Situation von Migranten, die sie bereits vor 50 Jahren erfasst habe, sei heute nicht besser.
Maiolino - in Italien geboren und seit 1960 in Brasilien lebend - war zunächst Teil der "Nueva Figuración" genannten Hinwendung zu gegenständlicher Malerei, bevor sie sich der Arbeit mit Ton und anderen Materialien zuwandte. Sie gestaltete im hinteren Ende des Arsenale-Gelände eine einnehmende Installation aus Tonformen und duftenden Thujenzweigen - ein leicht zu übersehendes Highlight des Parcours.
Unsichere Biennale-Zukunft
In der Zeremonie hatte auch der neue Präsident der Biennale-Dachorganisation, Pietrangelo Buttafuoco, die Grußworte, bei der er Kunst als "Abenteuer für die Seele" bezeichnete. Der einst als Publizist bekannte Buttafuoco ist eine signifikante Neubesetzung unter der Regierung von Giorgia Meloni und gilt als Kritiker der zuletzt unter dem Biennale-Banner zelebrierten Offenheit und Multikulturalität. Der amtierende Kulturminister Gennaro Sangiuliano betonte bei der Biennale-Zeremonie dann auch die Idee, dass es starke Identität brauche, um dem "Anderen" zu begegnen - eine leise, aber doch vernehmbare Gegenposition.
Gestalterisch konnte Buttafuoco bisher noch keine sichtbaren Zeichen setzen, manche in der Kunstcommunity befürchten unter ihm aber ein weniger offenes Klima - nicht zuletzt, weil der Präsident auch über die nächste kuratorische Leitung und damit über den "Grundton" der Biennale zu entscheiden hat. Adriano Pedrosa, der Biennale-Kurator aus Lateinamerika und offen "queer", hatte dem "Fremden" eine Bühne bereitet und damit viele jener Kriterien erfüllt, die den Rechten ein Dorn im Auge sind.