Rabinowich geht essen: Von Dackerln und Krickerln
Von Julya Rabinowich
Der Hund war krank, auf sein Rollwagerl angewiesen, liebte Weinberge und die Temperaturen stiegen. Die Flucht aus der Stadt war vorprogrammiert, musste aber den Hundeparametern angepasst werden: Es folgte der Versuch, die Lage zu verbessern, sollte sich die Lage verschlechtern. Die Wahl fiel auf die erwähnten Weinberge, schöne Unterkunft und gutes Essen, aber es durfte nicht weit weg sein, um den Tierarzt des Vertrauens rechtzeitig aufsuchen zu können. Es fand sich das alles an einem Ort: In Gumpoldskirchen spannte sich das Glücksdreieck zwischen Schloss Gumpoldskirchen, dem Heurigen Krug und dem wuchernden Wein. Im Schloss lässt es sich wunderbar übernachten, die Stille und die Ruhe, die über einen fällt, sobald man den Ort betritt, regt an zum Nachdenken, Philosophieren, Schreiben. Dazwischen fanden sich: Wanderwege, Radwege und zwei beeindruckend selbstbewusste Dackel, die den ganzen lieben Tag und auch manchmal nachts über die Sicherheit am Gumpoldskirchner Kirchenplatz wachten mit einer Würde, die einem echten Wappentier auch gut zu Gesicht stehen würde. Sie gehörten zum Weingut und Heurigen Krug, waren Jagdbegleiter und beäugten die verspeiste Bauernente mit saftigem Rotkraut und Knödeln mit dem Stolz eines gepflegten Gastgebers. Der Heurige bietet eigene, preisgekrönte Weine und befindet sich im Alten Zechhaus, das bereits 1549 erwähnt wird und eines der ältesten, im originalen Baustil erhaltenen Anwesen in Gumpoldskirchen ist. Hier hat man die Qual der Wahl und mehrere Ebenen zum Besitzen: ein schattiger Gastgarten mit malerischen Bäumen, eine Sonnenterrasse für Sommerhungrige und an einen Rittersaal gemahnenden zweiten Stock, ausgestattet mit einer beeindruckenden Reihe an kleinen und großen Krickerln, an deren Erwerb die Dackerln vermutlich nicht unbeteiligt gewesen waren. Abseits des geschmackvollen Ambientes gibt es hier eine hervorragende Auswahl an Klassischem und Gehobenem. Neben der Bauernente, von knuspriger Haut überzogen und mit Ausmaßen, die für eine Person, deren Positionierung nicht ganz jener von Obelix entspricht, beinahe überwältigend waren (was nichts ausmachte, weil man das Unbewältigte wunderbar in häuslichen Verzehr mitnehmen konnte), gab es eingangs noch eine Kaspressknödelsuppe – gehaltvoll, aber nicht zu salzig und nicht zu würzig, mit flaumiger Einlage und rundum perfekt. Als zweiten Gang bot sich Parmaschinken mit Antipasti und Grana an, zart und schmelzend und eruptiv geschmackvoll. Und obwohl das folgende Dessert in meinen Kolumnen schon mehrmals vorgekommen ist, muss ich hier erneut und mit Nachdruck auf die Marillenknödel verweisen, diese sind nämlich so divers wie die Menschheit, man muss sie einfach immer wieder von Neuem kennenlernen! Hier waren sie von kompakter Gestalt, genauso gelungen wie ihre Geschwister, die Kaspressknödel, und bedeckten ihre nachgiebigen Rundungen neckisch mit einer dicken Bröselschicht und weißem Zuckernegligé. Kurzum: Die Erotik eines Marillenknödels, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ebenso wie das Universum unendlich. Wer nach solcher Üppigkeit an das eigene Fleisch und Blut denken möchte, kann sich auf das Rad schwingen und durch die Weinberge rollen. Wir entschieden uns aber für das Lotterleben und rollten uns ins Schloss, wo uns der reizende, hingebungsvolle Hausherr Ladislaus E. Batthyány-Strattmann die luftleeren Hundewagerlräder aufzupumpen half.