Paaradox: Stilbrüche
Sie
Was es nicht alles gibt: zum Beispiel das „Paare-Umstyling“. Das wünscht sich eine Bekannte von mir zu Weihnachten, erzählte sie. Ich verstand nicht: Was sollte „umgestylt“ werden – das gemeinsame Schlafzimmer oder ihr Umgang miteinander? Weder das eine noch das andere. Es geht schlicht darum, modisch frischer daherzukommen. Ab da stellte ich mir vor, wie der Mann gegenüber auf so einen Umstyling-Vorschlag reagieren würde. Der nämlich jedes Mal im gleichen Jö, Feierabend!-Hoodie bei mir aufschlägt, oft mit Loch im Socken und sich outfittechnisch nicht mehr wirklich ins Zeug haut.
Einser-Panier
Was vor 25 Jahren naturgemäß anders war, als er auffällig parfümiert in der Einser-Panier vor meiner Wohnungstür stand und Rosen reichte. Diese Zeiten sind vorbei, heute weiß ich: Kleider machen keine Leute und zu einem feschen Aufzug gehört vor allem eine fesche Seele. Die hat er, deshalb darf er bei mir im Schlabber-Look herumhängen. Aber natürlich hätte so ein Umstyling seinen Reiz. Wir als Vorzeigepaar, modisch up to date. Na bumm. Also schaute ich, was mir an ihm gefiele. Reizvoll, mit diesem gewissen After-Midlife-Krisen-Touch, wäre etwa der angesagte College-Stil. Dieser „Preppy-Look“ wird zwar mit seinem Ich-lösch-die-Tafel-Chic eher Männern unter 30 empfohlen, aber wurscht: Im Herzen ist der alte Hufi für immer jung. Und so ein Pullunder mit Karo-Muster samt schmaler Krawatte hätte was. Genauso wie der Trend „Black Leather“, zu dem sicher eine Herrenhandtasche gehören würde, in die er endlich seine Kramuri samt Schnäuztüchern stopfen könnte – statt immer mir ins Tascherl. Spannend finde ich außerdem die Sache mit den Farben. Herzkönig trägt meist grau in grau oder graublau. Ich hingegen sehe ihn in flauschig-mutigem Zuckerlrosa. Das wäre aber jener Moment, in dem er beginnen würde, die Liebe zu mir dramatisch umzustylen. Daher: Bleib, wie du bist, mein verehrter Hoodieni.
Er
Wer den Text zu meiner Linken gelesen hat, könnte den Eindruck gewinnen, ich stünde allen Ernstes regelmäßig im Jogginganzug vor gnä Kuhns Tür, um das ganze Ausmaß meiner Entspannungsbereitschaft auch optisch zu dokumentieren. Während meine Frau selbstverständlich im schwarzen Etui-Kleid mit Volant-Besatz (das habe ich mit dem Suchbegriff „Businessoutfit für Frauen“ gegoogelt) und Flex-Pumps mit Glitter-Effekt (das auch) zum abendlichen Empfang bittet. Dem ist aber komischerweise nicht so, obwohl stilvolle Eleganz als Anerkennung für mein Erscheinen sicherlich angemessen wäre. Nein, die verehrte Hausdame kombiniert lieber den Sweater vom legendären Tenniscamp 1989 mit Filzpatschen. Wissend, dass es ja auf die inneren Werte ankommt. Und darüber hinaus vielleicht noch, ob Knabberzeug und guter Wein verfügbar sind.
1980er-Fantasien
Jedenfalls berichtete sie mir von der Umstyling-Thematik und hörte erst auf zu lachen, als ich ihr vorschlug, den Don-Johnson-Look der 1980er-Jahre mit fliederfarbenem Sakko und bis zum Ellbogen aufgekrempelten Ärmeln zu reaktivieren. Traust dich nie, sprach sie. Und ich antwortete: „Selbstverständlich sofort, wenn ich damit nicht allein bin.“ Die Bedingung sollte sein, dass sie im hellblauen Lurex-Blazer samt Schulterpolstern als Krystle-Carrington-Verschnitt an meiner Seite den Schritt in die Öffentlichkeit wagen möge. Du spinnst wohl, rief sie, und ergänzte: Bei dir wäre es wurscht, das fänden alle Menschen lustig. Bei mir wäre es außer peinlich nur superpeinlich. Anschließend fantasierten wir noch eine Weile, wie wir als Sue Ellen & J.R. Ewing, Helga & Hans Beimer oder Heidi & der Ziegenpeter die Wohnung verlassen könnten … und blieben – welch Wunder – in Schlabber-Harmonie daheim. Ich brachte Soletti und Veltliner, und sie meinte: Wir könnten ja zumindest auf Erdnüsse und Rosé umstylen. Ihr Wille geschah. Mit Loch im Socken. Sonst wär’s nur halb so gemütlich.