Kolumnen

Paaradox: Mr. & Mrs. Seltsam

Sie

Googeln lässt sich alles – und so gab ich  unlängst das Wort „originell“ in die Suchmaschine ein. Synonyme dafür existieren allerlei: ungewöhnlich, geistreich. Ebenso: merkwürdig, sonderbar. Irgendwo dazwischen oszilliert der Mann gegenüber, der von mir auch wegen seiner geistreichen Einfälle geliebt wird. Dass dabei  „Sonderbares“ mitschwingt, liegt in der Natur des Hufnagl.  Etwa, wenn er sich bei dichtem Bartwuchs  Löcher ins Gesicht zupft. Ich nenne sie Inseln. Dann schillert im Schwarzgrau des Nachwuchses ein Korfu oder Kreta in seinem Gesicht. So sehr ich diese Inseln als Reiseziel schätze, in einem Männerantlitz haben sie  nix zu suchen.

Neues Eiland

Im Versucht,  ihn   davon abzuhalten  rufe ich: Net zupfn! Dann tut er  so als hätte er nicht gezupft und fängt auf der anderen Wange an, ein neues Eiland zu kreieren.  Jetzt ist es so, dass er von mir losgelöst zupfen kann – keine mehr da, die die  Merkwürdigkeit bremst. Abends steht er dann bei mir im Vorzimmer, in der einen Hand Rotwein, in der anderen   Blumen und im Gesicht zwei Inseln. Ich sage Hallo!, küsse erst Kreta, dann Korfu, und murre: Rasur wäre super. Er erwidert: „Wurscht!“ und erwähnt sein Grundrecht auf ein individuelles Antlitz. Nun aber zurück zu seiner Originalität, die mich seit 24 gemeinsamen Jahren  fasziniert. Da stand er, mit diesem hübschen Strauß,   drückte ihn mir  in die Hand und sprach: „Gut schauen, da ist noch was drin!“ Nach längerem Suchen entdeckte ich einen    Schraubenzieher und ein Maßband. Originell. Und die Antwort auf meine Jammerei, dass er mit seinem Auszug zentrale Zutaten für  den Bob, der Baumeister in mir aus unserem Zuhause entwendet hat. Wo doch ein Leben ohne Maßband und Schraubenzieher sinnlos ist. So betrachtet sind die zwei Accessoires ein Geschenk an ihn selbst, weil es für ihn nix Schlimmeres gibt als durch ein Bring mir dies, bring mir das-Whatsapp beim Inselzupfen gestört zu werden.     

Lesekabarett „Schatzi, geht’s noch?“, 12. März, St. Pölten, Bühne im Hof

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

ErWovor ich mich stets gefürchtet habe, ist das  LW-Syndrom. Ich glaube ja, dass LW (Laden-Wahnsinn) viel verbreiteter ist, als man glaubt. Im Domizil meiner Frau sind es über alle Räume (plus Keller) verteilt gefühlte 23 Laden (oder Körbchen), in denen sich allerlei befindet. Also nicht in dem Sinn, dass hier Kabel, da Glühlampen, dort Nägel lagern. Sondern hier, da und dort von allem ein bisserl etwas. Was verlässlich dazu führt, dass ich mich bei Suche nach Krims und Krams (wie Batterien, Fonduepaste oder Hundezeckenzange) auf eine Art Jakobsweg begeben muss. Fluchend,  und mit dieser chinesischen Weisheit im Kopf: „Wer die Welt in Ordnung bringen will, gehe zuerst durchs eigene Haus.“ Kein Wunder, dass solche Missionen zur Folge haben, dass man nervös in seinem Gesicht zu zupfen beginnt … und das ist nur die milde Variante von nahendem LW.

Erhabenheit

Interessant dabei ist das eheliche Muster. Meine Frau ignoriert nämlich lange Zeit beharrlich jedes Ächzen und Schwadronieren – Motto: Soll er halt die Augen aufmachen. Und erst nach meinem dritten „Das darf nicht wahr sein!“ kommt: Was suchst denn schon wieder? In einer theatralischen Beiläufigkeit, die LW-Gefährdete als zusätzliche Bedrohung empfinden. Und so entgegnete ich ihr kürzlich in bestmöglicher Gelassenheit: „Einen simplen, verdammten Kreuzschraubenzieher, damit ich – wie von gnä Kuhn erbeten – die Deckenlampe montieren kann!“ Im Normalfall sagt sie dann betont lässig: Vorzimmer. Kasten neben der Therme. Dritte Lade von unten. Um mir die Erhabenheit einer Kramuri-Königin zu demonstrieren. Diesmal fiel die Antwort knapper aus: Hab’ ich nicht. Brauch’ ich nie. Auf meinen anschließenden Vortrag, dass ein Haushalt ohne Kreuzschraubenzieher wie ein Wiener Schnitzel ohne Panier sei, konterte sie nur schlagfertig originell: Na dann, vielleicht schenkt mir ja der Valentin einen. Statt Blumen. Sie bekam beides. Und ich dafür LW in Form von leichtem Wein.


michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9