Kolumnen

Paaradox: Finde die Fehler

Sie

Irgendwas ist immer – und wenn es nur ein Loch im Socken des Mannes nebenan ist.  Sie sind schockiert? Ein Herr von Welt – und dann das? Nun, das kommt relativ oft vor. Weil wir keine Sockenpolizei daheim haben, die die Fußkleidung  kontrolliert und, so wie es Mutti einst getan hat, zur Stopfnadel greift oder das Zeugs in den Sockenmist kippt. So aber denkt er sich: Fühlt sich gut an! Schön luftig! Und leicht!  Anti-Schweiß-Effekt! Dabei wird er einfach nur vom sanften Sockenlochluftstrom verwöhnt.

Herumzupfen

Ich finde das sehr charmant, zumal ich das Fehlerhafte viel mehr als das Perfekte mag. Und ja, die Kunst  eines gepflegten Fehlers beherrscht der gute Mann tatsächlich in allen Belangen und zu allen Gelegenheiten. Unlängst bei einer sehr wichtigen Hochzeit etwa, als zwei Frauen  gleichzeitig an ihm herumzupften –  die Tochter und ich nämlich, wobei keine von uns der Pedanterie verdächtigt werden kann.  Da stand er, im aerodynamischen Anzug (plus nigelnagelneuen Socken) und hatte ein augenfälliges Haar im Gesicht, wo eigentlich keines sein sollte sowie, anderwertig, jede Menge Fuzeln, wo sich keine Fuzeln befinden sollten. Bei  näherer Betrachtung sah er aus wie ein in die Jahre gekommener Staubfänger. Also wuselten wir um ihn herum und machten ihn schöner. Er fand das gar nicht lustig, weil er nicht verstehen wollte, warum ihn jemand nicht schön findet, Loch hin, Fuzel und Härchen her. Hufnagl ist ein Naturereignis! Also belehrte er uns, in bewährter Oberstudienrat-Art: „Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen! Ruckzuck, geht mir aus dem Licht und lasst mich einfach sein.“ So geschah es dann auch. Wenig später trat seine Mutter an ihn heran und sagte: „Burli, du hast da was.“ Da nickte das Burli und ergab sich artig seinem Schicksal.  

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Ich habe schon als Kind eine gewisse Nervosität verspürt, wenn meine Mutter an mich herangetreten ist, um mir beispielsweise das Gesicht mit Sonnencreme einzuschmieren. Oder meine Oma den kleinen Dreckfleck auf meiner Wange mit dem Daumen weggerubbelt hat, nachdem sie diesen mit der Zunge angefeuchtet hatte. Daher habe ich ziemlich früh ein „Lass-mich-kann-ich-selbst“-Gefühl entwickelt. Und weil ich genau weiß, wie unangenehm es ist, wenn andere Menschen an einem herumwurschteln, habe ich auch als empathischer Beobachter eine ziemliche Gelassenheit entwickelt.

Bröselalarm

Wenn also meine Frau des Morgens Milchschaum auf der Nasenspitze trägt (und das tut sie beinahe täglich), dann komme ich aus Überzeugung niemals auf den Gedanken, als Putzmann aktiv zu werden. Stattdessen fasse ich mir wortlos selbst an die Nase und zwinkere kurz, dann weiß sie augenblicklich: Oha, Nasenkorrektur erforderlich! Und so verhält es sich auch mit Mohn zwischen den Zähnen, Bröseln in den Mundwinkeln und Reis im Dekolleté. Sogar im Fall eines unübersehbaren schwarzen Hundehaars auf ihrer Bluse konfrontiere ich die Liebste erst mit der Sichtung und dann mit der Frage: „Gnä Kuhn, wären Sie mit einer beherzt durchgeführten Enthaarung meinerseits einverstanden, oder wollen Sie Ihre ästhetische Würde mit einem eleganten Handgriff lieber selbst wieder herstellen?“ Natürlich entscheidet sie sich dann für die emanzipierte Variante B, und schon haben wir beide unseren Frieden. Aber wehe, ich versuche, mein Prinzip der Sensibilität zu ihrem Prinzip zu machen. Da doziert sie: Pass’ auf, wenn ich bei jedem verdrehten Kragen, den ich im Laufe der Jahre bei dir ratzfatz gerichtet habe, vorher ein Gesuch eingereicht hätte, wären wir nie aus dem Haus gekommen. Dann antworte ich: „Aber vielleicht wollte ich ja oft genau das.“ Darauf folgt ihr obligates Weißt was, ... ?, die Diskussion ist beendet, und alles ist gut.

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9 

Neue Podcast-Folge „Schatzi, geht’s noch?“ auf kurier.at und allen Podcast-Apps; Auftritte: 10. 10., 1. 11., Rabenhof ; 20. 11., Klosterneuburg