Paaradox: Ein Mann sieht Brot
Sie
Beobachtungen aus der Reihe „Pärchenzoo“: Ich steh’ beim Bäcker, vor mir Frau und Mann, fix zam. Ich hab’s eilig, die Beiden tun eher gemütlich. Gattin und Gatte diskutieren seelenruhig ihr Frühstück im Geiste ehelicher Basis-Demokratie. Sie: „Hm, sollen wir für dich ein Nussbeugerl nehmen oder magst doch lieber eine Zimtschnecke… was meinst?“ Er: „Sehr gute Frage, mein Schatz, bin unschlüssig. Was nimmst du?“ Sie: „Auf jeden Fall ein Carpaccio…“ Er: „Du meinst wohl Ciabatta?“ Sie: „Ist doch wurscht. Musst du mich immer ausbessern?“ Er: „Naja, ehrlich, wenn’s doch falsch ist…?“
Unentschieden
Die Verkäuferin: „Was darf ich Ihnen denn geben? Sie: „Ui, da müssen wir noch ein Momenterl überlegen – also auf jeden Fall einmal zwei Kaffee im Becher…“ Verkäuferin geht ab. Er: „Baguette brauchen wir auf jeden Fall.“ Sie: „Aber wenn wir eh ein Carpaccio kaufen…?“ Er: „Ciabatta.“ Sie: „Du nervst.“ Die Verkäuferin kommt mit dem Kaffee und fragt, ob sich die Unentschiedenen nun schon für etwas entschlossen haben. Sie: „Ja klar! Für meinen Mann ein Nussbeugerl bitte, für mich ein glutenfreies Weckerl, bitte in getrennten Sackerln. Und ein halbes Carp…, äh Ciabatta.“ Er: „Ich hätte aber gerne eine Zimtschnecke gehabt.“ Sie: „Zu spät, das hättest schon früher sagen müssen.“ Die Zwei verlassen die Bäckerei sichtlich angespannt. In diesem Moment bin ich froh darüber, dass der Mann nebenan und ich seit Jahren jedes Wochenende das gleiche Ritual getrennter Wege pflegen und wir nicht als zweisamer Brot- und Gebäck-Schreck für Augenrollen sorgen. Und so sagt er, verlässlich, Samstag und Sonntag in der Früh: „Wer geht Bäcker, wer Gassi?“ Und ich sage daraufhin, mindestens ebenso verlässlich: „Am besten beides du…“ Allfälliges Rumoren seinerseits überhöre ich, frei nach dem Aphoristiker Gerd Heyse: „In einer guten Ehe herrscht auch bei gelegentlichen Gewittern Arbeitsteilung: Sie blitzt, er donnert.“
Er
Ich habe mich natürlich längst daran gewöhnt, dass ich am Wochenende verlässlich die Rolle des Gebäckträgers übernehme. Wer jeden Samstag und Sonntag in der Früh in ihre Ich-mach-eh-so-viel-Augen schaut, stellt diesen Beitrag zum Eheglück nicht in Frage. Diese Solo-Expedition hat allerdings auch Vorteile. 1. Es ist niemand da, der mich (in einem subtilen Nebensatz, ohne Blickkontakt) daran erinnert, wie viele Kalorien so ein Pain-au-Chocolat hat. 2. Ich bringe fix ein Baguette nachhause, dessen beiden knusprige Ecken noch nicht abgebissen sind. 3. Ich kann behaupten, dass ich die WhatsApp mit dem nachträglichen Wunsch (Frag’, ob du diesen einen Striezel, weißt eh, den guten mit den Dings drauf, vorbestellen kannst) nicht gesehen habe.
Zeugenstand
Ich habe jedoch ein Geduld-Problem. Während gnä Kuhn Wartezeiten damit überbrückt, dass sie Kipferln zählt oder die Inhaltsstoffe von Marmeladen durchliest (was ich nicht einmal mit Lesebrille schaffen würde), liegt mein Fokus auf der Erledigung. Dabei geht es mir gar nicht um Zeitgewinn, sondern um Gerechtigkeit. Ich kann es richtig spüren, wenn Menschen ihr Jetzt-bin-ich-dran bis zur Schmerzgrenze fremder Höflichkeit absichtlich ausreizen. Unlängst kaufte ein Herr vor mir Waren im Wert von 27,40 Euro. Die Summe weiß ich deshalb so genau, weil ich minutenlang stummer Zeuge seines Ehrgeizes werden musste. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, den Betrag zur Gänze mit Münzen zu begleichen („Irgendwann, hahaha, muss man die ja alle, hahaha, loswerden, hahahahaha“). Und so bauten er und die erstaunlich gelassene Verkäuferin viele Euro- und Centhaufen („Sodala, wüvü hamma, ah, Momenterl“), ehe er bei 26,10 Euro kapitulierte und auf Scheine umstieg. Die Liebste hätte in dieser Szene sicher etwas sehr Lustiges gesagt, meine beste Idee zur Vermeidung von Eskalation war indessen Schweigen. Daheim fragte sie intuitiv: Alles gut? Und ich antwortete nur: „Wundere dich nicht, dass deine Baguettespitzen fehlen.“