Der Reflex, der bei einem Terroranschlag ausgelöst wird
Von Mirad Odobašić
Erinnern Sie sich noch an Mirsad O.? Der Hassprediger füllte vor einigen Jahren die Schlagzeilen, hiesige Medien titulierten ihn gar zum "Star der österreichischen Jihadistenszene".
Der bekennende und später zu 20 Jahren Haft verurteilte Unterstützer des Islamischen Staates trieb sein Unwesen nicht nur in Extremistenkreisen, sondern auch in den Köpfen derer, die nur scheinbar etwas mit ihm gemein haben: die Muttersprache, die ex-jugoslawischen Wurzeln oder die Endung ić im Namen.
Blöder Schmäh
Denn wie fühlt man sich, wenn man einen Vornamen trägt, der sich nur um einen Buchstaben von jenem des Bösewichts unterscheidet und obendrauf denselben Anfangsbuchstaben im Nachnamen hat? Angesprochen? Beobachtet? Konfrontiert? Der Verfasser dieser Zeilen musste jedenfalls blöde Schmähs über sich ergehen lassen.
"Bist's eh nicht du?", "Seid's eh nicht verwandt?", fragten mich die ganz Lustigen in meinem Umfeld. Ich verzog das Gesicht zu einem widerwilligen Grinsen – und führte den Schmäh sogar mit.
Sorge
Der Schmäh, übrigens ein erprobter Abwehrmechanismus im Kampf gegen Alltagsrassismus, konnte allerdings das Entstehen eines Reflexes nicht verhindern. Jedes Mal wenn es zu einem Terroranschlag o.Ä. kommt, zucke ich zusammen und denke: "Bitte, bitte, bloß nicht wieder einer 'von uns' ..."
Auch wenn man weiß, dass es hier kein "uns" gibt und die gemeinsamen Wurzeln nichts zur Sache tun, fühlt man sich konfrontiert, angesprochen, in denselben Topf geworden. So entsteht die Gefahr neuer Klischees: Was einst ein BMW-Fahrer oder Bauhackler war, könnte 2024 ein radikalisierter IS-Sympathisant 2.0 sein.
Danke, Mirsad O., Emrah I. und wie ihr alle heißt. Es gibt noch mehr Anlass für Alltagsrassismus in Österreich.