Johannas Fest: Wir sind’s, nicht die Kuh
Von Johanna Zugmann
Der Trend zur vegetarischen Ernährung ist unaufhaltsam im Gange. In der Fastenzeit verzichteten auch viele Omnivoren auf Fleisch. Und ja – selbst die Zahl der Haustierbesitzer, die ihren vierpfötigen Lieblingen rein pflanzliche Kost vorsetzen, wächst beständig. Wurde diese Kostumstellung bis vor einigen Jahren noch als Tierquälerei gewertet, kommt jetzt von wissenschaftlicher Seite der Persilschein für fleischfreie Ernährung für Hund und Katz. Die Forscher rund um Professor Andrew Knight von der Universität Winchester in England haben in einer internationalen Studie die Gesundheit von 2.500 Hunden untersucht. Das Resümee: Die vegan gefütterten Caniden wiesen weitaus bessere Werte auf als ihre konventionell versorgten Artgenossen. Nach der Lektüre der kürzlich im Fachmagazin „PLOS ONE“ veröffentlichten Studienergebnisse starteten wir in der Karwoche einen Versuch mit unserer Felltochter Amy: sechs Tage fleischlose Ernährung setzten wir auf den Menüplan der Cockerspaniel-Dame. Nach dem vierten Tag gaben wir entnervt auf. Schließlich hat unser vierpfötiger Liebling mit konsequentem Hungerstreik auf die vegetarische Kost reagiert. Am Karfreitag gab es dann wieder fein geschnittenes Biohuhn mit Reis und Karotte in ihrem Fressnapf. Amy weiß schließlich, wie man Frauchen und Herrli erzieht!
Klimatarier
Kein Trend ohne Gegenbewegung: Nach Veganern, Vegetariern und Flexitariern, die ihren Fleischkonsum aus Sorge um das (Nutz-)Tierwohl eingeschränkt beziehungsweise auf null reduziert haben, sind nun die Klimatarier im Vormarsch. Um das Klima zu schützen, verzichten sie auf Produkte, bei deren Herstellung viel CO2 ausgestoßen wird; oder auf Importware, die wegen weiter Transport- wege ebenso klimaschädliche Auswirkungen hat. Sie sind aber weder Tierschutz-Fanatiker noch Genussverweigerer. Klimatarier essen auch Fleisch, wenn sie wissen, woher es kommt und welche CO2-Belastung mit dessen Aufzucht und Transport einhergeht. In England soll es bereits mehrere Millionen erklärte „climatarians“ geben, die bei jedem Essen mittels eigener App ihren persönlichen CO2-Fußabdruck messen. Doch ganz tabu ist dort das Rindfleisch, dessen Zucht als ein Hauptproduzent von CO2 gilt, dennoch nicht. Ihr überraschendes Credo: „It’s not the cow – it’s how“, nicht die Kuh sei das Übel, sondern das, was wir daraus machen. In nachhaltiger Weidehaltung hätten Wiederkäuer schließlich das Potenzial, Kohlenstoff als Humus im Boden zu speichern, vermeldet die Tierärztin Anita Idel in ihrem 2021 erschienenen Bestseller „Die Kuh ist kein Klimakiller“. In der ganzen Debatte um ethisch und ökologisch korrekte Ernährung hat sich nun auch Trend-Koch Jamie Oliver zu Wort gemeldet: Er tue sein Bestes, um Veganer zu unterstützen. „Aber mich stört das Extreme, das Radikale. Wenn es um Fortschritt geht und Ernährungsgewohnheiten, die auch die Umwelt schonen, dann musst du so viele Leute wie möglich begeistern und mit ins Boot holen. Ich würde sogar sagen: Nur so lässt sich überhaupt etwas verändern“, zitierte eine
Schweizer Tagezeitung kürzlich den Kochstar. – Genuss-Liberalismus statt Gebots- und Verbotsdschungel also, da ist was dran!