Lager Traiskirchen ist kein Ort für Kinderflüchtlinge
Von Heinz Wagner
Endlose Tage ohne Struktur und Betreuung, ohne Möglichkeiten einer alters- und kindgerechten Beschäftigung nachzugehen, das ist der Alltag für Jugendliche im Erstaufnahme-Zentrum für Geflüchtete in Traiskirchen und der Außenstelle in Reichenau an der Rax.
Kinder haben das Recht auf Bildung. Dieses elementare Recht wird den jugendlichen Flüchtlingen, die in den Bundeseinrichtungen auf weitere Verfahrensschritte warten, vorenthalten. In den isolierten Massenquartieren gibt es keine Möglichkeiten zu lernen, keine Privatsphäre. Unbegleitet minderjährige Flüchtlinge vermissen erwachsene Bezugspersonen und fühlen, dass sie in Österreich nicht erwünscht sind.
Viel zu lange in Quartieren des Innenministeriums
Eigentlich sollten sich die Kinderflüchtlinge nur einige Tage in den Erstaufnahmezentren aufhalten müssen, solange es dauert bis ihr Gesundheitszustand und gegebenenfalls ihr Alter überprüft wird. Dann müsste die sofortige Überstellung in Betreuungseinrichtungen der Länder (Kinder- und Jugendhilfe oder spezialisierten NGOs) erfolgen.
„Es ist für die asylkoordination nicht nachvollziehbar, warum die UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge) unter diesen Umständen monatelang in der Bundesbetreuung ausharren müssen“, kritisiert die Kinderrechtsexpertin der asylkoordination, Lisa Wolfsegger. Derzeit sind etwa 240 UMF in Traiskirchen und Reichenau/Rax, das sind 30 Prozent. Im asylantragsstarkem Jahr 2017 befanden sich lediglich zwei Prozent (91) der UMF in Bundesbetreuung.
„Von den Bundesländern hören wir, dass so gut wie alle bereit wären, sofort UMF aus Traiskirchen und Reichenau aufzunehmen. Das Innenministerium will die Kinderflüchtlinge offenbar aus Österreich vertreiben.“
Kinder verschwinden
Wie viele dieser jungen Geflüchteten Österreich wieder verlassen und versuchen in einem anderen EU-Land Zuflucht zu finden, ist schwer festzustellen. Klar ist nur – das zeigten jüngst die Antworten auf eine parlamentarische Anfrage der NEOS –, dass jedes Jahr hunderte Kinder spurlos verschwinden. Von 888 UMF, die in Österreich einen Asylantrag stellten wurden nur 126 in Einrichtungen der Länder übernommen. Selbst wenn in Rechnung gestellt wird, dass ein Teil als volljährig erklärt wird und etliche in andere EU-Staaten gebracht werden, weil sie dort Familie haben oder schon ein abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen haben, bleiben mehr als 350 Kinder über deren Verbleib nichts bekannt ist.
„Die Behörden müssen sich endlich um das Wohl dieser Kinder kümmern“, fordert die UMF-Expertin Lisa Wolfsegger. „Wir haben bereits vor einem Jahr auf diesen Skandal hingewiesen, passiert ist seither nichts“.
Eine wichtige Veränderung steht mit 1. Dezember dieses Jahres bevor: Die Betreuung der Asylwerber*innen in der Bundesbetreuung geht an die neu geschaffene BBU (Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen) über. Das könnte auch die Lage der UMF in Traiskirchen und Reichenau an der Rax beeinflussen.
Die asylkoordination fordert von der Leitung der BBU alles zu unternehmen, damit eine zügige Überstellung der UMF in Quartiere der Länder ermöglicht wird. Nur dort sind eine kindgerechte Betreuung, Möglichkeiten zum Spracherwerb und eine Bearbeitung der traumatischen Erlebnisse der Kinder möglich.