Wissen/Gesundheit

Masern-Impfpflicht in Deutschland: Befürworter auch in Österreich

Der ab März 2020 notwendige Nachweis einer Masernimpfung für die Aufnahme von Kindern in eine Kindertagesstätte oder Schule in Deutschland hat auch in Österreich die Diskussion zu dem Thema neu belebt. "Ich habe Verständnis für diese Maßnahme", sagt die Virologin Heidemarie Holzmann von der MedUni Wien im Gespräch mit dem KURIER. "Wer in einer Gemeinschaft die positiven Errungenschaften nützt, von dem kann man auch verlangen, dass er etwas zum Wohl der Gemeinschaft beiträgt", sagt Holzmann: "Es gibt eine Verantwortung für die Gemeinschaft und für den Schutz jener, die sich selbst nicht schützen können - etwa Säuglinge und Menschen mit einer Immunschwächeerkrankung."

Für die frühere Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) war eine allgemeine Impfpflicht "kein Thema". Im Büro der jetzigen Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl heißt es, dass man "großes Interesse an einer Anhebung der Durchimpfungsrate" habe. Man führe derzeit sachliche Vorarbeiten bzw. eine "evidenzbasierte Grundlagenarbeit" durch, die dann die Basis für Entscheidungen einer künftigen Regierung sein sollen.

Erster Schritt: Gesundheitspersonal

"Das Allerwichtigste wäre es, dass in einem ersten Schritt Angehörige des Gesundheitspersonals verpflichtet werden, die im Impfplan empfohlenen Impfungen durchführen zu lassen", sagt Holzmann. "Das Gesundheitspersonal hat eine Schlüsselrolle."

Hier gebe es derzeit je nach Krankenhausträger unterschiedliche Regelungen, aber keine durchgängige Verpflichtung für alle Mitarbeiter österreichweit. In der Steiermark etwa gibt es bereits eine Verordnung, wonach alle Mitarbeiter der Krankenanstaltengesellschat KAGES mit Patientenkontakt gegen Masern geimpft sein müssen. Bei vielen Krankenhausträgern - etwa auch dem Wiener Krankenanstaltenverbund - müssen neue Mitarbeiter einen Impfnachweis mitbringen. Für bereits angestelltes Personal gibt es immer wieder Impfaktionen.

Der frühere Volksanwalt Günther Kräuter sah im Frühjahr nach einem "Impfgipfel" einen "Impuls für eine Gesundheitspersonal-Impfpflicht".

Eine generelle Impfpflicht könne nur dann erfolgreich eingeführt werden, wenn es umfangreiche Begleitmaßnahmen gebe, betont Holzmann: "Informationskampagnen, die aufklären, und das besonders auch im Internet. Da braucht es ein gutes Angebot im Netz. Macht man das nicht, kann es große Widerstände geben."

Ärzte und medizinisches Personal müssten als wichtigste Vertrauenspersonen der Bevölkerung zu dem Thema Impfen auf diesem Gebiet besonders gut ausgebildet sein. Wichtig sei es, generell den Zugang zu Impfungen zu erleichtern (z.B. durch Impfaktionen am Arbeitsplatz) und elektronische Impferinnerungen einzuführen.

Um die Impflücken bei jungen Erwachsenen zu schließen müsste man dann aber auch überlegen, generell bei Berufen mit viel Kontakt zu anderen Menschen (z.B. Pädagogen) Maßnahmen zu setzen, um die Impfraten zu erhöhen. Dazu würde auch ein leichterer Zugang zu Impfungen gehören.

Die Österreichische Ärztekammer tritt für eine "generelle Impfpflicht" ein: "Das schließt Gesundheitspersonal ein, geht aber sinnvollerweise viel weiter", sagte Kammerpräsident Thomas Szekeres bereits im April diesen Jahres. "Überall, wo viele Menschen zusammenkommen, besteht die Gefahr, Infektionsträger gefährlicher Krankheiten zu werden." Das betreffe unter anderem auch pädagogisches Personal, Schüler und Studenten.

In der Steiermark sollen ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 bei der Vergabe von Kindergartenplätzen Kinder mit einer Masernimpfung bevorzugt werden. Damit soll der Herdenschutz erreicht werden.

Ein mit Masern-Infizierter kann 12 bis 18 Personen anstecken. Zum Vergleich: Bei Influenza sind es maximal vier Personen.

Zahl der Masern-Fälle steigt

Im vergangenen Jahr gab es in ganz Europa mehr als 82.500 Masernfälle, davon mehr als 12.000 in EU-Ländern. "Heuer waren es bis End April in der EU bereits 6000 Fälle." In Österreich sind heuer bis 10. Juli bereits 134 Masern-Fälle registriert worden, 2018 waren es im gesamten Jahr 77 Fälle.

Für einen Herdenschutz ist eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent mit zwei Teilimpfungen notwendig. Bei den 2-5-Jährigen wird dieses Ziel zumindst bei der ersten Impfdosis erreicht. Bei der zweiten Impfung liegt die Durchimpfungsrate jedoch bei ungefähr 82 Prozent. "Konkret heißt as, dass 47.000 Kinder in dieser Altersgruppe eine zweite Impfung erhalten sollten", heißt es in einem Bericht des Gesundheitsministeriums.