Leben/Essen & Trinken

Die geheimen Zutaten der Schwedenbomben

"Legt man ihn an – stets gut und richtig – bei einer Schwedenbombe – das ist wichtig. Die Echte nur, da braucht es keinerlei Belehrung. Der Schwedenbomben-Schilling – die stabilste Währung." Im Österreich der 50er bewarb das Wiener Unternehmen Niemetz seine süßen Produkte mit der Kaufkraft des harten Schillings. Noch amüsanter die Werbung aus den 80ern über "die linienfreundlichen Schwedenbomben", heute würde es wohl Preise für die frechste Werbelüge des Jahres regnen. Auch wenn sich die Schreibweise seit damals änderte, der Geschmack ist noch immer der gleiche.

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Vor 90 Jahren erfand Walter Niemetz die kultige Süßigkeit: Der Wiener verbrachte zuvor einige Zeit bei den größten Meistern der französischen Pâtissierskunst in Paris. Während seiner Ausbildung freundete er sich mit einem jungen Konditor aus Schweden an. Zurück in Wien tüftelten die beiden gemeinsam an einem Rezept für eine Nachspeise aus festem Eischnee. Als Dankeschön benannte Niemetz die Kreation nach seinem schwedischen Freund, der Österreich wieder verließ. Danach sollte der Wiener Konditor einige folgerichtigen Entscheidungen treffen, so ließ er seine Kreation bereits 1934 markenrechtlich schützen, 1949 folgte das Schützen der bekannten Konditor-Zeichnung auf den Verpackungen.

Rezept liegt gut verwahrt im Tresor

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Allerdings gab es Schaumküsse zu jener Zeit bereits in ganz Europa: Die Franzosen verspeisten mit dem "Tête de nègre", ein weiches Windgebäck mit Schokoladenüberzug, der Ursprung des Desserts soll jedoch in Dänemark um 1800 liegen. Zuckerbäcker zählen Schwedenbomben zur Gattung der Schoko- bzw. Schaumküsse, wobei nach demösterreichischen Lebensmittelkodex(Anm: Kapitel 3.4.4) Konditorwaren mit kakaohaltiger Fettglasur den Begriff "Schokolade" nicht im Namen tragen dürfen. Da Schwedenbomben mit Kakao – mittlerweile Fairtrade – überzogen sind, handelt es sich also um Schaumküsse.
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Vor drei Jahren schlitterte die Wiener Manufaktur in die InsolvenzPetra Baumgartner startete daraufhin eine medienwirksame Rettungsaktion via Facebook, tausende Fans unterstützen die Aktion mit Spontankäufen. Drei Monate nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens kaufte Heidi Chocolat, die zur Julius-Meinl-Gruppe gehört, das marode Unternehmen um 5,25 Millionen Euro und übersiedelte den Standort nach Wiener Neudorf.

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Anlässlich des runden Firmenjubiläums erzählt Niemetz-Geschäftsführer Gerhard Schaller im Interview mit dem KURIER, dass das Originalrezept aus den 20ern noch heute existiert und gut verwahrt im Tresor liegt. Ob es sich auch um die Handschrift des Erfinders handelt, lässt sich heute leider nicht mehr eruieren.

Zucker, Hühnereiweiß und Agar-Agar

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Die Zutaten sollen sich seit damals aber nicht verändert haben – Zucker, Hühnereiweiß, Agar Agar, Salz, Kakao und.... viel Luft, die Masse wird händisch eingestrichen und sorgt für die spezielle Konsistenz. Das Verdickungsmittel Agar-Agar sorgt für die Stabilität des Schaums, damit dieser nicht in sich zusammenbricht.
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Vom ersten bis zum letzten Schritt dauert das Entstehen eines Schaumkusses nur 30 Minuten. "Zuerst wird der süße Eischnee aufgeschlagen, mit einem Gerät in Form gebracht und auf einen Waffelboden gespritzt. Anschließend wird der Schaum mit der Kakaoglasur übergossen. Damit die Masse nun die Form behält, muss sie gekühlt werden. Wir produzieren immer nur auf Bestellung der Supermärkte, da Schwedenbomben nur drei Wochen halten. Derzeit produzieren wir rund 300.000 Stück am Tag: Würde man alle aneinander reihen, ergibt das eine Kolonne von Wien nach Stockholm, einer kleinen Sightseeing-Tour in Stockholm und den Weg wieder retour nach Wien", erzählt Schaller.
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Seit wenigen Wochen bietet das UnternehmenWorkshops in der Zentrale in Wiener Neudorf für alle Fans an, die schon immer mal Schwedenbomben selber herstellen wollten. Langweilig schauen die Nachgebauten keinesfalls aus, denn im Kurs kommen Herzerl- oder Sternderl-Ausstecher zum Einsatz – dank Silberkugerl, bunter Streusel oder Marshmallows schauen diese am Ende ziemlich fancy aus. Eventuell eine Marktlücke? "Ideen haben wir viele in der Schublade, aber wir glauben an das Originalrezept – mit oder ohne Kokosraspel."