Leben/Essen & Trinken

Von Barlegenden und Fluchtachterln

Wer glaubt, er wisse nach dieser Lektüre, wie er am schnellsten zu Sex on the Beach kommt, irrt. Ganz im Gegenteil: Mit Christof Habres’ neuem "Wiener Barbuch" (Metroverlag, 19,90 €) wird alles noch viel komplizierter.

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Denn man muss sich entscheiden: Mag man’s nobel in der Blauen Bar im Sacher? Ursprünglich im Barfly’s? Kurios in der Bonbonniere Bar? Zeitintensiv mit der fast Telefonbuch-dicken Cocktailkarte im Dino’s? Retro in der NewYork NewYork Bar? Oder doch lieber hip bei Roberto?Mehr als 60 Geheimtipps, Klassiker und Newcomer beschreibt Cocktail-Afficionado Habres in seinem schlauen Barbuch und wenn er die Orte, an denen Köstlichkeiten wie Manhattan, Cosmopolitan oder American Beauty gereicht werden, als "Wasserstellen" bezeichnet, dann ist das noble Untertreibung. Und das einzige Understatement in dieser prächtigen "Premium Edition" von Habres’ erstem Wiener Barbuch, dessen Cover Dorothy Parkers berühmtes MartiniZitat zierte: "Ich trinke gerne einen Martini, höchstens zwei. Nach dem dritten liege ich unter dem Tisch und nach dem vierten unter dem Gastgeber." Doch so weit wollen wir es nicht kommen lassen – man möchte doch sachlich bleiben. Die vorliegende erweiterte De-Luxe-Edition ist notwendig geworden, weil sich in der Wiener Barszene in den vergangenen Jahren viel getan hat – allein schon durch die Neueröffnung und den Umbau vieler Luxushotels.

Nachteule

Und, was so mancher Nachteule vielleicht nicht gleich auffällt: Die Qualität der heimischen Bartender ist hoch. Das zeigen auch internationale Wettbewerbe, wo österreichische Mix-Experten weit vorne mitspielen. Neben Bar-Bonmots, Spirituosen-Smalltalk und Architektur-Anekdoten bietet Habres’ Buch Tipps von Signature-Drinks bis Absacker und Fluchtachterl. Und es reiht nicht bloß Bar an Bar, sondern betreibt regelrechtes Drink-Sightseeing: Im Kapitel "Höhenrausch" etwa kommen die Bars mit dem schönsten Ausblick vor: Vom "Le Loft" soll einen ja nicht der gespreizte Name anhalten, denn allein die Farbexplosion, die die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist dort an die Decke gezaubert hat, ist den Besuch wert und eine echte Konkurrenz für den Ausblick.

Letzterer ist in der Rooftop-Bar "Atmosphere" im Ritz Carlton auch nicht ohne: Dort werkt der sympathische junge Barman Lukas Hochmuth, der heuer als Österreichs Vertreter beim "Havana Club Cocktail Grand Prix" in Kuba geladen war.

Er und seine Berufskollegen stehen im Mittelpunkt des Buches: Denn raffinierte Cocktails und schöne Location allein machen noch lange keine gute Bar aus. Es zählen die Gastgeberqualitäten! "Und es kommt eine junge Generation, die ungemein kreativ ist, die forscht und neue Drinks erfindet, da legst dich nieder", schwärmt Habres. Da wären etwa Bert Jachmann (Bar im Heuer, ab 7. Januar 2015), Markus Altrichter (Freyung 4), Markus Raidl (Lobby Lounge, Kempinski), Robin Peller (Roberto Bar) oder Elvis Livera (Dino’s Bar). Und nicht zu vergessen die famosen Frauen, die das Cocktail-Biz aufmischen: Isabella Lombardo (Bar im Fabios), Alex Bisanz (X Bar) und Sigi Ehm (Hammond Bar).

Auskenner Habres hat einen persönlichen Grund für seine Leidenschaft: Sein Büro befindet sich gegenüber der Wohnung eines stadtbekannten Barkeepers: "Wenn der beste Gastgeber der Stadt dir fast täglich, nachdem er gegen Mittag aufgestanden ist, ein unmoralisches Angebot über den Innenhof zuruft: ,Kommst dann eh vorbei?’ – was soll man dagegen ins Treffen führen?" Da hat er natürlich recht und wer nach Lektüre seines Barbuchs erst recht nicht weiß, ob Roberto, Dino’s oder Barfly’s , dem sei gesagt: Die Frage ist nicht entweder – oder, sondern: In welcher Reihenfolge?

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