Leben/Reise

Große Freiheit auf 8,1 Quadratmetern: Mit dem Wohnmobil durch Australien

Eine weitläufige Lichtung, umgeben von Eukalyptusbäumen, Kakadus schnattern in der Luft und ein Emu geht geradewegs über die Einfahrtsstraße zum ersten Campground unserer Victoria-Fahrt: Der Lakeside Tourist Park, Stellplatz 129, im Grampians National Park ist nach 254 Kilometern ab Melbourne, im ungewohnten Linksverkehr, erreicht. Und schon landet das Empfangskomitee: Gelbhaubenkakadus, die jeden Neuankömmling begrüßen. „Die Kerle haben gelernt“, erklärt gleich unser Nachbar und kommt mit einem Bierchen vorbei. „Wer neu auf dem Campground ist, gibt gerne was aus dem Vorratsschrank. Wer von einem Ausflug wieder auf seinen Platz zurückkehrt, wird nicht mehr beachtet. Good day! Ich bin Peter.“ Er kommt aus dem tropischen Norden von Queensland. „Im Sommer ist es mir dort zu heiß. Da bin ich immer in Victoria und South Australia.“

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„Ach Gott, wie spießig! Mit dem Wohnmobil?“

„Ach Gott, wie spießig! Mit dem Wohnmobil?“ Das war die erste Reaktion von Freunden auf den anstehenden Reiseplan. Aber als sie auf die Frage „Und wohin geht’s?“ die Antwort „Australien“ bekamen, wendete sich das Blatt: „Wow! Super! Toll! Da ist ein Wohnmobil ja genau das Richtige!“ Sofort gehen da Fenster im Kopf auf, als sähe man schon die endlos langen Straßen, die irgendwo am Horizont im Nichts verschwinden. Es geht ja nicht um Wohnmobilurlaub, 14 Tage an einem Platz, sondern um eine Wohnmobilreise, die mit der Destination ihre Spießigkeit verliert. Kanada, der Südwesten der USA oder Skandinavien wären da wohl ebenfalls in der „Wow“-Kategorie gelandet. Diese Art des Reisens hat mit Weite und Infrastruktur zu tun: Wo es ewig lange Entfernungen und wenige Unterkünfte, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten gibt, da wird das Wohnmobil zur perfekten, fahrenden Versorgungseinrichtung, dem Heim auf vier Rädern, mit Kochzeile, Minidusche, WC und einem wohl proportionierten Bett mit 1,90 mal 1,70 Metern Größe.

Tierische Nachbarn

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Strom- und Wasserkabel sind angeschlossen, die Abwasserleitung ist verlegt, der Campingtisch und die Stühle stehen auf der Wiese. Da es auf 18 Uhr zugeht, werden schon mal die Steaks eingeschnitten und der Shiraz geöffnet. Draußen natürlich, in Shorts und Slippers – unter Beobachtung eines Koalas, der weit oben im Eukalyptusbaum brav seine Blätter mampft. Doch bevor es das erste Dinner unter dem australischen Himmel gibt, haben scheinbar auch noch andere Hunger.Binnen weniger Minuten hat sich die weite Lichtung direkt vor unserer Nase mit drei bis vier Dutzend Kängurus gefüllt. Die meisten grasen friedlich, ein paar Jungtiere spielen und boxen ein bisschen, ein Kleines schlüpft aus dem Beutel der Mutter heraus und ist erstaunlich groß. Es erreicht fast schon die Hälfte der Mama, verschwindet aber immer wieder flugs im Beutel. Jetzt müsste man irgendwas von Mathe und Volumen verstehen. Von außen denkt man jedenfalls: Das kann nicht gehen, dass das groß gewordene Junge noch in den Mutterbeutel passt. Es geht aber und Frau Mama duldet es – zumindest noch. Auch ein paar Strauße zeigen sich, Hasen hoppeln herum, Enten watscheln vom nahen Fyans Creek heran. Auf zehn bis fünfzehn Metern kann man sich den Tieren nähern und ganz in Ruhe fotografieren. Die Kängurus beobachten die Menschen zwar genau, aber sie fliehen nicht.

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Wer in den Grampians im Hotel oder Motel nächtigt, dem bleibt dieses allabendliche Schauspiel verborgen, denn nur die Campinggäste kommen an diese herrliche Lichtung heran. Andernorts in Victoria und auch in anderen Bundesstaaten Australiens, gibt es innerhalb der Nationalparks oftmals ausschließlich Campgrounds. Hotels und Motels sind meist außerhalb angesiedelt.

Schlau verstauen, sonst scheppert’s

Abfahrt zur sagenumwobenen „Great Ocean Road“ mit den weltweit bekannten Twelve Apostles: Peter winkt und wünscht gute Fahrt, die jedoch mit einer Überraschung beginnt. Es klappert und scheppert auf den ersten Metern, als ob jetzt alles zu Bruch gehen würde. Des Rätsels Lösung: Wir haben falsch eingeräumt! Denn auf den 8,1 Quadratmetern Wohnfläche des Mercedes Euro Tourers ist jeder Quadratzentimeter genau verplant. Und wer nicht penibel richtig verstaut, wird mit einem Schepperkonzert bestraft …Es ist schon verrückt, was alles in Schrank, Schubläden und Fächer passt. Hier alles Nötige auf engstem Raum und dort die Weite des Ozeans und die 243 kilometerlange Panoramastraße von Portfairy im Westen nach Torquay im Osten: Der Highway 100, wie die Great Ocean Road offiziell heißt, schlängelt sich hoch über den Klippen entlang, vorbei an bizarren Felsformationen, die im Meer stehen als wären sie Skulpturen. Von den zwölf Aposteln, also Felsbrocken, sind noch acht übrig und auch an diesen nagt bereits die Erosion.

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„1990 stürzte die Verbindung des London Arch mit dem Festland ohne Vorwarnung ins Meer“, erklärt ein Nationalparkranger einigen Touristen aus Japan. „Als sie zerbrach, waren gerade Urlauber auf der Felsenbrücke.“ Ein Raunen geht durch die Gruppe. „Aber wie durch ein Wunder, konnten sie sich auf den Brückenpfeiler im Meer retten, bis sie ein Hubschrauber in Sicherheit brachte.“ Der Ranger muss ein Stakkato an Handy- und Tabletaufnahmen über sich ergehen lassen, als sei er höchstpersönlich der Held von London Arch gewesen.

Der Highway 100 verschwindet später kurzzeitig im Hinterland, im Otway National Park. Wer den ältesten Leuchtturm des Kontinents sehen möchte, nimmt die Sackgasse zum umtosten Cape Otway. Ein guter Platz zum Picknick machen: Tisch raus, Kühlschrank auf, eindecken. Das Wohnmobil macht’s möglich.

Pinguin-Parade und Hammer-Park

Über Phillip Island – die Insel mit der Pinguin-Parade an jedem Abend – geht’s zum Wilsons Promontory National Park. Ähnlich wie die Grampians, einer dieser 1-B-Nationalparks der Marke: schon mal gehört, muss schön sein. Muss schön sein? Der Park ist der Hammer! Am südlichsten Punkt des australischen Festlandes wird es kugelrund und rötlich: So zeigen sich die Boulders – riesige erodierte Granitfelsen. Sie umrahmen wunderbare Strände, zahllose Wanderwege führen über die Halbinsel, nur der Campground gefällt dieses Mal nicht: Er ähnelt einem nüchternen Parkplatz und keinem Stellplatz in der Natur. Diesen gibt’s dafür im nahen Walkerville.

Als Begrüßungsgeschwader sind dieses Mal rot-blaue Pennantsittiche zugegen und das Reisemobil parkt genau achtzehn Holzstufen oberhalb eines weitläufigen Strandes mit einer Brandung, die wie gemacht ist für das Spiel mit den Wellen. Das Holz fürs abendliche Feuer wurde schon bereitgestellt und nachts wird man bei offenen Fenstern und Türen das angenehme Meeresrauschen hören. Doch jetzt gibt’s erstmal ein Gläschen „Sparkling“, eiskalt aus dem Kühlschrank. Sparkling, also sprudelnd, nennen die Aussies ihren Sekt. Und genauso sprudelnd sind die Wellen und die Weite des Meeres dahinter. 8,1 Quadratmeter Enge sind eben 8,1 Quadratmeter, die einem die große Freiheit erst möglich machen.

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Anreise
Es gibt keine Non-Stopp-Flüge nach Australien. Sehr gut ist Emirates via Dubai nach Melbourne ab 950 Euro (emirates.com). CO2-Kompensation ab/bis Wien via climateaustria.at: 86,18 €. Das nötige kostenfreie Visum erhält man unter immi.gov.au

Wohnmobil
Ein günstiges Wohnmobil mit Schlafgelegenheit, freie Kilometer, Versicherungspaket, ab/bis Melbourne kostet für 2 Wochen ab 570 Euro oder etwa 40 Euro pro Tag
– Komfortabler: mit vollwertiger Küche, Dusche, WC für 2 Wochen ab 1.540 Euro oder etwa 110 Euro pro Tag, jeweils für zwei Personen bei camperdays.de

Tanken
Für einen Liter bleifrei oder Diesel werden ca. 1,50 australische Dollar, also nur knapp ein Euro, verlangt. In Victoria liegt der Benzinpreis sogar meist unter dem Landesdurchschnitt

Campgrounds
Es gibt eine große Auswahl und die Plätze sind meistens weitläufig und schön gelegen. Ein Stellplatz kostet ab 15 australische Dollar, mit Strom- und Wasseranschluss ab 25 austr. Dollar /Nacht

Hotel
Für die erste (oder letzte) Nacht in Melbourne: The Westin. Elegante Zimmer, Terrassen mit weitläufigem Stadtblick, Restaurant, Spa mit Pool und Whirlpool und bester City-Lage. 205 Collins Street, marriott.com

Essen
Im Kookaburra im Grampians National Park stehen lokale Klassiker auf der Karte, etwa Kängurufilet, Hirschsteak oder Entenbrust. 125 Grampians Road in Halls Gap, kookaburrahotel.com.au

Auskunft
Melbourne Visitor Hub, 90 Swanston Street, im Rathaus, visitmelbourne.com
visitvictoria.com