In der Koppstraße ruft der Lehrer nicht erst bei Problemen an
Von Ute Brühl
Marija Halusa sitzt zu Hause vor dem Laptop: „Hut ab: Was die Lehrerinnen und Lehrer in der Koppstraße leisten, ist hervorragend. Das muss in die Zeitung“, schwärmt sie. Vor allem vor dem Klassenvorstand Ingo Bergmann verneigt sich die Mutter – und nicht nur sie. Auch die anderen Eltern der 2 A wissen, was sie an ihm haben. „Er ist rund um die Uhr erreichbar und für uns da.“
Lehrer Bergmann wollte von Anfang ein eine neue Form der Elternarbeit etablieren: „Wir suchen den Kontakt nicht erst, wenn es Probleme gibt, sondern wollen ständig in gutem Austausch bleiben.“ Dass das Eltern-Projekt ausgerechnet in der Koppstraße in Wien startet, ist kein Zufall: Seit einigen Monaten gibt es hier das „Bildungsgrätzel Ottakring West“. Ziel ist es, die Schulen für die Nachbarschaft zu öffnen und zu einem Lernort für alle zu machen.
In der Mittelschule Koppstraße werden Eltern ermuntert, miteinander und füreinander etwas zu tun. Und das passiert auch, wie Marija Halusa erzählt. „Wenn wir uns einmal im Monat per Zoom treffen, sprechen wir auch über Themen, die nicht unbedingt die Schule betreffen, etwa über Corona-Impfungen.“ Da gab es bei einigen Ängste und Vorbehalte. Dann berichteten Eltern, die in der Pflege arbeiten und bereits geimpft sind, über ihre guten Erfahrungen, und nahmen so die Angst.
Meist sprechen die Eltern aber über die Kinder: „Wenn mein Kind Englisch-Nachhilfe benötigt, dann frage ich einmal andere Mütter und Väter, wie ich das angehen kann“, erzählt die Mutter.
Keine Hierarchie
Ein Ziel haben die Lehrer damit erreicht: „Schule soll nicht hierarchisch sein. Eltern sollen selbst ermächtigt werden, ihre Kinder zu erziehen und zu unterstützen“, sagt Bergmann. Und so ist es an Elternabenden nicht der Lehrer, der den Eltern Tipps gibt, sondern die Mütter und Väter. Jüngste Beispiele: Halusa berichtete, wie es ihr und ihrer Tochter beim Homeschooling geht und welche Herausforderungen sie dabei wie meistert. Ein syrischer Vater, der erst seit ein paar Jahren in Österreich lebt, hat über soziale Medien und Apps wie Tiktok oder Instagram referiert – auf Deutsch. „Es war ein toller Überblick über die sozialen Medien, wie sie funktionieren und wo die Gefahren liegen“, erzählt Halusa begeistert.
So manche Verantwortung kann Bergmann damit delegieren. „Viele Jugendliche waren zum Beispiel mit dem Angebot an Schulessen nicht sonderlich glücklich. Jetzt können sie ihre Wünsche vom Wochen-Menü angeben, und Frau Halusa übernimmt die Organisation.“
Am Ende profitieren von der Zusammenarbeit alle – Lehrpersonen, Eltern und vor allem auch die Kinder. „Die wissen genau, dass wir Lehrer in einem ständigen Austausch mit den Eltern sind. So können sie uns nur schwer gegeneinander ausspielen“, meint Bergmann verschmitzt.
Gestartet hat das Projekt kurz vor Corona, mit einem Treffen in der Schule, was es jetzt leichter macht, in Verbindung zu bleiben. „Elternarbeit geschieht viel zu selten auf Augenhöhe. Wo aber wertschätzend miteinander kommuniziert wird, beginnt ein Prozess, von dem alle profitieren“, ist Bergmanns Resümee.
Das verlangt allerdings von den Lehrern auch mehr Aufwand: „Das will ich nicht jedem zumuten – viele Kolleginnen und Kollegen, und vor allem mein Jahrgangsteam, leisten ja jetzt gerade während Corona schon oft viel, viel mehr als zuvor, was Kommunikation und Engagement angeht.“
Das Elternprojekt wird derzeit von The Things We Learn, einer Wiener Bildungsagentur, begleitet. So gibt es zusätzliche Unterstützung und Ressourcen, die sonst nicht zur Verfügung stehen. Deshalb fände er es gut, wenn es für diese Form der Elternarbeit noch zusätzlich Stundenkontingente gäbe: „Auch wenn so etwas bereits über den sogenannten C-Topf geregelt ist, wären da ein bis zwei Stunden pro Woche für die Vorbereitung und die Kommunikation mit den Eltern schon fein. Es braucht eben auch Zeit, um eine Beziehung mit den Eltern aufzubauen.“