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Bauhaus im Kontext

Denkt man an das Zusammenbauen von seriengefertigten Möbeln, dann folgt für viele die Assoziation mit einem schwedischen Möbelhaus und dem dazugehörigen Inbusschlüssel. Doch der Ursprung maschinell hergestellter Möbel geht wesentlich weiter zurück. 1906 wurden die ersten sogenannten Maschinenmöbel auf der Deutschen Kunstgewerbeausstellung präsentiert. Der Wäscheschrank von Richard Riemerschmid aus dem Programm Das Dresdner Hausgerät ist eines der ersten Exponate im Rundgang der Sonderausstellung „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ im Wiener Möbelmuseum.

Möbel für alle

Das Konzept der Maschinenmöbel bestand darin, Einrichtungsgegenstände von hoher Qualität zu günstigen Preisen herzustellen, und dabei den ästhetischen Ansprüchen der Deutschen Werkstätten gerecht zu werden. Anstatt kompletter Zimmereinrichtungen wie bislang üblich, konnten nun auch einzelne Möbel gekauft werden. Dadurch wurde das Einrichten für zuhause zwar erschwinglicher, doch große Verbreitung fanden die Möbel nicht. Dies gelang erst Bauhausdirektor Hannes Meyer durch die Zusammenarbeit mit der Industrie.

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Der europäische Diskurs über Kunst und Gestaltung geht allerdings noch weiter zurück. Er wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts durch die beginnende Industrialisierung angestoßen. Die englische Arts and Crafts Bewegung um William Morris war es, die die Fragen der Modernisten bereits vorwegnahmen: Wie frei darf die Form sein? Wieviel Rücksicht muss sie auf die Funktion nehmen? Und: Ist Design Kunst?

Der Mythos Bauhaus

Wird heute über die Europäische Moderne gesprochen, so wird diese komplexe Entwicklung oft drastisch heruntergebrochen. In diesem vereinfachten Kontext nimmt die von Walter Gropius gegründete Bauhaus-Bewegung einen übergeordneten Stellenwert ein, der mit der tatsächlichen kunstgeschichtlichen Entwicklung nicht viel zu tun hat. Eine verzerrte Wahrnehmung, verortete das Berliner Bröhan-Museum und konzipierte eine eigene Ausstellung, die nun in etwas modifizierter Form auch in Wien gezeigt wird.

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Um das Bauhaus ranken sich viele Märchen und Mythen. Begriffe wie ‚Bauhausstil‘ oder ‚Die Bauhausidee‘ sind Allgemeinplätze geworden.

Tobias Hoffmann, Anna Grosskopf, Kuratoren

Um das Bauhaus ranken sich viele Märchen und Mythen. Begriffe wie ‚Bauhausstil‘ oder ‚Die Bauhausidee‘ sind Allgemeinplätze geworden“, erklären die Kuratoren Tobias Hoffmann und Anna Grosskopf den Ursprung der Ausstellung. „Das Bauhaus selbst wurde zum Mythos, zur Ikone der Moderne. Fälschlicherweise wird es sowohl zum Höhepunkt der Moderne gemacht als auch als Ausgangspunkt der Moderne missverstanden.“

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Rein kunstgeschichtlich betrachtet gibt es den Bauhausstil als solches nämlich weder in der Architektur noch im Design. Vielmehr seien die Arbeiten der Bauhausvertreter als Teil übergeordneter Strömungen wie Klassische Moderne, Funktionalismus, Internationaler Stil oder Neues Bauen einzuordnen.

50 Jahre Designgeschichte

Aus diesem Grund wurden 50 Jahre Designgeschichte neu aufgerollt und publikumsfreundlich präsentiert. Es wird gezeigt, aus welchen unterschiedlichen Strömungen die Europäische Moderne entstand, und wie sich das Bauhaus daraus entwickelte. In diesem vielschichtigen Kontext ist auch der Ursprung des heutigen Produktdesigns zu finden.

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Die Ausstellung zeigt, wie sich das Bauhaus zunächst schwertat, eine eigene Formensprache zu entwickeln.

Tobias Hoffmann, Anna Grosskopf, Kuratoren

„Die Ausstellung zeigt, wie das Bauhaus von den Gedanken dieser Entwicklung beeinflusst wurde, und wie schwer es sich zunächst tat, aus der Fülle dieser Positionen eine eigenständige Formensprache zu entwickeln“, so die Kuratoren.

Möbelklassiker hautnah

Veranschaulicht wird diese designgeschichtliche Zeitreise durch eine umfassende Möbelschau der Moderne. In zehn Stationen können Besucher die unterschiedlichen Strömungen anhand zahlreicher Objekte und Möbelklassiker erkunden . Der Bogen spannt sich von William Morris' Tapetenentwürfen über Josef Hoffmanns Stuhl-Klassiker bis hin zum ersten Kaffee Hag-Logo, den Clubsessel B 3 von Marcel Breuer und dem Stuhl Red and Blue von Gerrit Rietveld.

Nach der coronabedingten Schließung im November ist die Ausstellung seit 8. Dezember wieder geöffnet und kann noch bis 9. Mai 2021 im Hofmobiliendepot besucht werden.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Edgar Knaack, Dieter Nagl, Kathleen Arthen

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